Process Mining verspricht Unternehmen, durch die Sichtbarmachung und Analyse von Prozessen tiefere Einblicke in Geschäftsabläufe zu gewinnen und Potenziale für Optimierungen aufzudecken. Insbesondere in datenintensiven Branchen soll die Methode zu einer deutlichen Steigerung der betrieblichen Effizienz und Leistungsfähigkeit führen.
Dennoch bleibt in vielen Projekten der erhoffte Durchbruch aus. Obwohl die Methode beeindruckende Möglichkeiten bietet, scheitern Unternehmen oft an grundlegenden Hindernissen wie unklaren Strategien, schlechter Datenqualität oder komplexen Werkzeugen.
Wir haben bereits verschiedene Process Mining Projekte (z. B. Workaround Mining, Weblog Mining, Mining von Logistikprozessen) durchgeführt und konnten dabei einige Erfahrungen sammeln. Dieser Artikel beleuchtet, wie Process Mining Unternehmen zum Erfolg führen kann – und woran es derzeit noch scheitert.
WAS IST PROCESS MINING?
Process Mining ist eine Methode des Prozessmanagements, die es Unternehmen ermöglicht, Geschäftsprozesse zu entdecken, zu analysieren, zu rekonstruieren und zu verbessern, indem digitale Spuren in IT-Systemen untersucht werden. Diese Datenspuren entstehen, wenn Prozesse in Systemen ausgeführt werden und umfassen Ereignisdaten (Event Logs), die die einzelnen Schritte eines Prozesses dokumentieren. Process Mining nutzt diese Daten, um Einblicke in die tatsächliche Ausführung von Prozessen zu gewinnen und Abweichungen vom idealen Prozessablauf zu identifizieren. Durch die Analyse können Unternehmen Engpässe, Ineffizienzen oder Fehler in Prozessen erkennen und gezielt Verbesserungen vornehmen.
Abb.1: Process Mining Ergebnis in Apromore
Viele Unternehmen sind jedoch schnell enttäuscht, weil Process Mining teilweise den Erwartungen nicht gerecht wird. Die Gründe dafür sind vielfältig. Wir haben von Kund:innen mehrmals die Rückmeldung erhalten, dass die anfängliche Euphorie für die Process Mining Initiative im Unternehmen schnell verfliegt, weil die Methode komplexe Herausforderungen mit sich bringt. Eine der größten Hürden ist die "spaghettiartige" Darstellung der Prozesse: Die Visualisierungen sind oft unübersichtlich und hinterlassen mehr Fragen als Antworten. So fällt es schwer, den Fokus der Analyse zu setzen und klare Start- und Endpunkte zu definieren. Hinzu kommt, dass Process Mining Tools in der Regel teuer sind und erhebliches technisches und fachliches Wissen erfordern, was zusätzlichen Aufwand bedeutet und viele Unternehmen abschreckt. Zudem ist die Umsetzung der Analyseergebnisse in konkrete Optimierungsmaßnahmen eine anspruchsvolle Aufgabe, da die Erkenntnisse häufig nicht unmittelbar auf praktikable Prozessänderungen übertragbar sind.
Wir geben daher eine Reihe von Empfehlungen, wie die Ergebnisse von Process Mining besser genutzt werden können. Diese richten sich sowohl an diejenigen, die Process Mining Tools anbieten, als auch an die nutzendenden Personen und Führungskräfte.
EMPFEHLUNGEN FÜR ANWENDER:INNEN VON PROCESS MINING TOOLS
Für Anwender:innen von Process Mining ist es entscheidend, die Methode bzw. die Werkzeuge gezielt und effektiv einzusetzen, um den größtmöglichen Nutzen zu erzielen. Die folgenden Empfehlungen sollen dabei helfen, Process Mining in der Praxis erfolgreich einzusetzen:
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Erwartungen realistisch managen
Es ist wichtig, die Möglichkeiten von Process Mining nicht zu überschätzen. Oft wird die Technologie von Enthusiast:innen überbewertet, was zu falschen Erwartungen führt. Anwender:innen sollten sich auf realistische Ziele konzentrieren und sicherstellen, dass das Management und die betroffenen Teams genau verstehen, welche spezifischen Probleme Process Mining lösen kann und wo herkömmliche Business Intelligence Tools möglicherweise besser geeignet sind. -
Gute Datenbasis und operative Kennzahlen
Die Qualität und Konsistenz der zugrundeliegenden Daten spielt eine wichtige Rolle für den Erfolg von Process Mining Aktivitäten. Es sollte daher eine solide Basis an verlässlichen Daten und Kennzahlen vorliegen. Dies umfasst nicht nur die Vollständigkeit und Genauigkeit der Daten, sondern auch die Verfügbarkeit relevanter Event Logs. Generell sollte eine datengetriebene Kultur im Unternehmen vorangetrieben und Zeit in die Datenaufbereitung investiert werden. -
Umwandlung von Daten in betriebliche Optimierungen
Process Mining bietet detaillierte Einblicke in die Prozesse. Die Daten sind jedoch nur dann wertvoll, wenn sie zu klaren und umsetzbaren Maßnahmen führen. Ziel sollte es daher sein, aussagekräftige Erkenntnisse zu gewinnen, die eine echte Verbesserung der betrieblichen Abläufe ermöglichen, anstatt sich in detaillierten Visualisierungen zu verlieren. Dazu ist es wichtig, Prozesse kontinuierlich zu überwachen und Process Mining nicht nur in kurzfristigen, einmaligen Projekten anzuwenden. -
Verständnis für Daten und das operative Geschäft
Für die Nutzung von Process Mining Tools ist es wichtig, nicht nur ein:e Datenexpert:in zu sein, sondern auch die operativen Abläufe zu kennen. Ein tiefes Verständnis der Geschäftsprozesse hilft dabei, die Analysen mit dem betrieblichen Kontext zu verknüpfen und so präzise und relevante Verbesserungen vorzuschlagen. Außerdem ist eine enge Zusammenarbeit zwischen IT und Fachseite bzw. interdisziplinären und funktionsübergreifenden Teams entscheidend, um die gewonnenen Erkenntnisse effektiv in echte Prozessoptimierungen umzusetzen.
EMPFEHLUNGEN FÜR FÜHRUNGSKRÄFTE
Auch Führungskräfte sollten die Process Mining Initiative im Unternehmen öffentlich unterstützen und die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den notwendigen Expert:innen sowie eine kontinuierliche Verbesserung schaffen. Daraus lassen sich folgende Empfehlungen ableiten:
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Klare operative Strategie mit Leistungsindikatoren
Für die erfolgreiche Implementierung von Process Mining im Unternehmen ist eine klare operative Strategie unerlässlich. Führungskräfte sollten sicherstellen, dass die Methode direkt mit den wichtigsten operativen Zielen und Leistungskennzahlen verknüpft ist und nicht als isoliertes Werkzeug eingesetzt wird. Dies hilft, den Erfolg von Process Mining Initiativen zu messen und stellt sicher, dass alle Beteiligten auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. -
Betriebsmodell, das Geschäftsverbesserungen ermöglicht
Entscheidend ist ein Betriebsmodell, welches eine kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse ermöglicht. Process Mining sollte nicht als einmalige Analyse eingesetzt werden, sondern in betriebliche Abläufe integriert sein, die regelmäßige Optimierungen ermöglichen. Das Management muss daher sicherstellen, dass die richtigen Strukturen und Verantwortlichkeiten vorhanden sind, um aus gewonnenen Erkenntnissen konkrete Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen. Veränderungen können beispielsweise im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) vorangetrieben werden und es sollten sowohl Process Owner für die Domain- und Business-Expertise als auch Mitarbeiter:innen mit analytischen und technischen Fähigkeiten klar benannt werden. -
Vertrauen aufbauen und Veränderungen effektiv managen
Führungskräfte sollten bei der Einführung von Process Mining für Transparenz sorgen, um Vertrauen zu schaffen und Widerstand gegen Veränderungen zu minimieren. Durch eine offene Kommunikation der Ziele, Methoden und Ergebnisse können Bedenken über invasive Arbeitsüberwachung abgebaut werden. Es ist wichtig, den Fokus auf die Optimierung von Prozessen und nicht auf die Überwachung einzelner Mitarbeiter:innen zu legen. Darüber hinaus sollten Führungskräfte den Wandel aktiv gestalten, indem sie die Beschäftigten frühzeitig einbeziehen und die Vorteile der Veränderungen klar aufzeigen, um eine höhere Akzeptanz und positive Ergebnisse zu erzielen. -
Grundlegende Voraussetzungen der Process Mining-Initiative schaffen
Für eine erfolgreiche Process Mining Initiative sollten Führungskräfte eine daten- und prozessorientierte Sichtweise im Unternehmen verankern. So sollten Entscheidungen auf Basis fundierter Prozessdaten getroffen und bestehende Prozesse transparent dargestellt werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass die notwendige technologische Basis vorhanden ist. Entscheidend für den Erfolg von Process Mining sind auch die Bildung interdisziplinärer Teams und regelmäßige Schulungen der Belegschaft auf allen Ebenen.
EMPFEHLUNGEN AN ANBIETENDE VON PROCESS MINING TOOLS
Um Unternehmen besser zu unterstützen und die Potenziale von Process Mining voll auszuschöpfen, muss das Angebot an Process Mining Werkzeugen strategisch weiterentwickelt werden. Hierzu geben wir folgende Empfehlungen:
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Vereinfachung der Process Mining Tools
Viele der existierenden Process Mining Lösungen sind für das operative Tagesgeschäft zu komplex und erfordern oftmals spezielles Know-how. Um eine breite Akzeptanz im Unternehmen zu fördern, müssen die Tools bedienungsfreundlicher und zugänglicher gestaltet werden. Intuitive Bedienoberflächen, automatisierte Prozesse und vereinfachte Analysen helfen dabei, die Methode für eine breitere Zielgruppe nutzbar zu machen. -
Verbesserung der Hilfestellungen und weiterführende Empfehlungen
Darüber hinaus fehlen häufig Implementierungsanleitungen oder Empfehlungen zur organisatorischen Verankerung der Tools. Entsprechende Hilfestellungen sollten den Unternehmen an die Hand gegeben werden, damit eine erfolgreiche Systemintegration erfolgen kann. Zudem liegen die Daten in den Unternehmen meist nicht gut aufbereitet in Form von Event Logs vor. Stattdessen müssen unstrukturierte Informationen in das entsprechende ereignisbasierte Format bestehend aus Fall, Aktivität und Zeitstempel überführt werden. Auch hier ist die Unterstützung seitens der Anbietenden derzeit noch begrenzt. -
Förderung der Wiederverwendbarkeit
Process Mining Werkzeuge werden meist für einmalige Analysen im Rahmen zeitlich begrenzter Projekte eingesetzt. Die Werkzeuge sollten jedoch Funktionen integrieren, die es Unternehmen ermöglichen, Process Mining nicht nur als Diagnosewerkzeug zu nutzen. Vielmehr kann ein langfristiger Mehrwert durch die kontinuierliche Überwachung und Optimierung von Geschäftsprozessen entstehen. So sind beispielsweise automatisierte Reporting- und Alarmfunktionen entscheidend. - Optimierung von Anwendungsfällen und Ergebnisdarstellung
Anbieter:innen sollten branchenspezifische Lösungen anbieten, die auf die besonderen Bedürfnisse und Herausforderungen einzelner Branchen zugeschnitten sind, z. B. Fertigung, Gesundheitswesen, Finanzwesen. Standardlösungen sollten so erweitert werden, dass sie spezifische Anwendungsfälle adressieren können. Beispielsweise können branchentypische Prozessmodelle, KPIs und Analysen vorkonfiguriert werden, um die Einarbeitungszeit in das Tool zu reduzieren. Auch Benchmarks und spezifische Compliance-Vorgaben können je nach Anwendungsfall einen Mehrwert bieten, um die eigene Leistung realistisch einzuordnen sowie Verstöße schnell zu erkennen und zu vermeiden. Zudem liefern die Tools häufig eine unübersichtliche Visualisierungen zurück, welche die Analyse von Prozessausnahmen erschwert.
Hier sollten Hinweise (z. B. farblich oder metrisch) gegeben werden, bei welchen Varianten mit einer Analyse begonnen werden sollte. Beispielsweise könnte das Tool auf Basis von individuellen Einstellungen (relevante Aktivitäten, Pfade und Metriken) einen Happy Path erzeugen, der als Einstieg in die Prozessanalyse hilfreich sein kann.
Mock-up für die Erstellung eines Happy Path in einem Process Mining Tool
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Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) und anderen Funktionalitäten
Um Process Mining auf die nächste Stufe zu heben, sollten KI und ML verstärkt in Process Mining Werkzeuge integriert werden. Diese Technologien sind in der Lage, Muster zu erkennen, Vorhersagen zu treffen und sogar automatisch Verbesserungsvorschläge zu machen, die Unternehmen dabei unterstützen, proaktive Entscheidungen zu treffen. Beispielsweise können Hinweise gegeben werden, welche Prozessvariante in Zukunft verfolgt werden sollte, und welche verworfen werden kann. Weitere Features wie eine Anomalieerkennung, eine Anonymisierungsfunktion oder eine Datensimulation können ebenfalls integriert werden. Auch andere Modellierungssprachen wie z. B. Declare Modelle sollten in Zukunft unterstützt werden.
FAZIT UND AUSBLICK
Process Mining ist eine beliebte Methode für Unternehmen, um ihre Geschäftsprozesse besser zu verstehen und zu optimieren. Um das volle Potenzial auszuschöpfen, müssen jedoch klare operative Strategien und Ziele entwickelt, Datenqualitätsprobleme gelöst und eine kontinuierliche Prozessüberwachung implementiert werden. Es liegt an den Unternehmen, Process Mining in ihre langfristige Strategie zu integrieren und an den Anbietenden, die Tools bedienungsfreundlicher und flexibler zu gestalten. Nutzer:innen spielen hierbe ebenfalls eine entscheidende Rolle, indem sie realistische Erwartungen setzen und Erkenntnisse in Optimierungen umwandeln.
Wenn Sie tiefer in die Welt des Process Mining eintauchen und erfahren möchten, wie Sie die Methode und die Werkzeuge in Ihrem Unternehmen erfolgreich einsetzen können, sprechen Sie uns gerne an. Wir empfehlen hier auch die Teilnahme an unserer Process Mining Schulung, in der u. a. Verfahren wie Process Discovery, Conformance Checking und Process Enhancement eingeordnet und an einem Process Mining Tool praktisch geübt werden.
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Melden Sie sich gerne bei uns.
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