Process Mining mit Power-BI

Mittwoch, 31.5.2023

process-mining-illustrationWelche Möglichkeiten bietet Microsoft Power BI in Bezug auf Process Mining? In diesem Blogbeitrag geben wir die Antworten.

Viele Unternehmen kämpfen heute mit Geschäftsprozessen, die über viele Jahre gewachsen sind. Oft ist es schwierig, den Überblick über alle Prozessschritte zu behalten und Ineffizienzen, Engpässe und Fehler ausfindig zu machen.

Prozesse werden heute in der Regel mit IT-Systemen abgebildet und hinterlassen dabei Datenspuren. Process Mining analysiert genau diese Spuren und macht die gelebten Standardprozesse sichtbar - so werden Workarounds, Bottlenecks und Prozessfehler aufgedeckt. Self-Service BI Tools wie Microsoft Power BI können hier zusätzlich unterstützen. Sie ermöglichen eine interaktive Sicht auf Prozesse und individuelle Ad-hoc-Analysen. Durch die Integration in die gesamte Infrastruktur können Unternehmenskennzahlen und Einflussfaktoren mit den Prozessen in Beziehung gesetzt werden.

In einem ersten Blogpost hat unser Kollege Michael Brylka erklärt, wie man mit Hilfe von Power BI gelebte Prozesse besser verstehen kann. Zusätzlich hat unsere Kollegin Ronja Köhling hier im Blog bereits einen Anwendungsfall für Process Mining in Power BI vorgestellt. Auch auf dem diesjährigen ShipIt Day 2023 und im Rahmen des vom BMBF geförderten Forschungsprojektes Change.WorkAROUND beschäftigen wir uns mit dem Thema. Wir zeigen daher, welche Möglichkeiten Power BI in Bezug auf Process Mining aktuell bietet.

 

Process Mining mit Power-BI Bordmitteln

Eine erste Annäherung an Process Mining kann schon mit den Standardmitteln von Power BI erreicht werden. Hierbei kann man sich zunächst die Stärke von Power BI bei der Datenaufbereitung (mit Power Query) zu Nutze machen. Mit Power Query können die eingelesenen Daten bearbeitet werden, bevor sie in das Datenmodell geladen werden. Die Basis für Process Mining ist das sogenannte Event Log, das die Aktivitäten von Prozessinstanzen in chronologischer Reihenfolge enthält. Die zentralen Datenfelder eines Event Log sind die Case Id (eindeutige Bezeichnung einer Prozessinstanz), Aktivität und der Aktivitätsstart (Zeitstempel). Process Mining Tools können die Aktivitätsdauer automatisch ermitteln, indem die Startzeit der Folgeaktivität als Aktivitätsende herangezogen wird. Mit einigen Transformationsschritten in Power Query kann die Aktivitätsdauer auch in Power BI berechnet werden. Mit einigen weiteren Transformationsschritten (u. a. „Gruppieren nach“) können die vorhandenen Prozessvarianten mit Power Query ermittelt werden, sodass diese in einem Power BI-Bericht analysiert werden können.

Bei der Analyse von Event Logs haben wir unter anderem mit Punktdiagrammen und Analysebäumen gute Erfahrungen gemacht. In einem Punktdiagramm werden zwei numerische Variablen in Beziehung gesetzt. Dadurch wird es möglich, Muster in den Daten zu erkennen. Um ein Gefühl für die Bearbeitung von Prozessinstanzen im Zeitverlauf zu bekommen, können die Variablen Case Id und Zeit in einem Punktdiagramm abgebildet werden. Wird das Visual zusätzlich um die Information „Aktivität“ angereichert, lassen sich ggf. Aussagen über die Art und Weise der Prozessbearbeitung treffen. Während die Analyse mit Punktdiagrammen in der Tendenz zeitaufwendig ist – es können viele Variablenkombinationen ausprobiert werden und nicht jede Kombination führt zu einem sinnvollen Ergebnis – können mithilfe des Analysebaums zügiger Erkenntnisse aus den Prozessdaten gewonnen werden. So können mithilfe des Analysebaums z. B. die Haupteinflussfaktoren für lange Prozesslaufzeiten identifiziert werden.

Power BI Visual für mehr Übersicht über Prozessinstanzen im Zeitverlauf 
Bild: Power BI Visual für mehr Übersicht über Prozessinstanzen im Zeitverlauf.

Mit Power BI können die vorhandenen Prozessvarianten analysiert werden. Hierbei können z. B. Erkenntnisse über die Anzahl der unterschiedlichen Prozessvarianten, deren Häufigkeit oder durchschnittliche Durchlaufzeit gewonnen werden. Die beiden nachfolgenden Ausschnitte aus einem Power BI-Bericht vermitteln einen Eindruck über die existierenden Prozessvarianten eines Prozesses zur Ticketbearbeitung. Das Balkendiagramm (1) zeigt die Prozessvarianten absteigend sortiert nach der Häufigkeit der Prozessinstanzen. Ergänzende Informationen zu den Aktivitäten können als Tooltip oder mithilfe einer Tabelle dargestellt werden (4). Das Säulendiagramm (2) zeigt die durchschnittliche Durchlaufzeit in Bezug auf die Anzahl der Prozessinstanzen. Tendenziell haben Prozessinstanzen, die eher selten vorkommen, eine höhere Durchlaufzeit, als Prozessionstanzen mit einer hohen Häufigkeit. Das Trichterdiagramm (3) zeigt die durchschnittliche Dauer je Aktivität.  

process-mining-prozessvarianten-uebersicht_powerbi
Bild: Power BI Visual für die Analyse von Prozessvarianten.

In der nachfolgenden Abbildung wurde der Power BI-Bericht gefiltert, um die Prozessinstanzen, mit der höchsten durchschnittlichen Durchlaufzeit genauer zu betrachten. Mithilfe des Slicers (5) werden Prozessinstanzen selektiert, die nur einmal vorkommen. Anschließend wurde in dem Balkendiagramm eine bestimmte Prozessinstanz selektiert. Die anderen Visuals im Bericht reagieren auf die Filter, sodass die Durchlaufzeit dieser Instanz sowie die Dauer der Aktivitäten dieser Instanz sichtbar werden. In diesem Beispiel wird sichtbar, dass die Prozessinstanz u. a. überdurchschnittlich lange auf den Abschluss der Implementierung wartet.


process-mining-prozessvarianten-uebersicht-filter_powerbiBild: Power BI Visual für Prozessinstanzen mit der höchsten durchschnittlichen Durchlaufzeit.

Mit Power BI können bereits im Standard Prozessdaten analysiert und Erkenntnisse über Geschäftsprozesse gewonnen werden. Wenn Sie mehr über die Möglichkeiten von Power BI bei der Prozessanalyse erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen den Beitrag Mit Power BI gelebte Prozesse besser verstehen

Visuals aus dem Power-BI Marketplace

Im Marketplace von Power-BI befinden sich bereits fünf Visuals für Process Mining von verschiedenen Anbietern.

Power BI Visuals für Process Mining im Marketplace
Bild: Power BI Visuals für Process Mining im Marketplace.

Besonders gut gefällt uns hier das Visual der process.science GmbH & Co. KG  Es wurde bereits im Anwendungsfall eingesetzt und überzeugt auch heute noch durch übersichtliche Grafiken und eine gute User Experience. Voraussetzung ist ein Event Log mit eindeutiger Fall-ID, Ergebnis und Zeitstempel. Das Visual ist kompatibel mit den Standardfiltern von Power BI. Es kann auch mit Slidern verknüpft werden. So kann beispielsweise nach Varianten gefiltert werden, die eine bestimmte Aktivität enthalten. Zudem bietet es verschiedene Kennzahlen, wie Durchlaufzeiten verschiedener Prozessinstanzen, Dauer einzelner Aktivitäten, Häufigkeit bestimmter Ereignisse und Engpässe. Das Visual ist von Power BI zertifiziert und erfüllt damit unter anderem die Anforderungen des Datenschutzes. Auch das Lizenzmodell wird in Power BI transparent dargestellt. 

Power BI Visual der process.science GmbH & Co. KG
Bild: Power BI Visual der process.science GmbH & Co. KG  

 

Python und R bringen neue (unerwartete) Möglichkeiten

Wie wir gesehen haben, lassen sich mit Power BI Bordmitteln und den gezeigten Visuals schon eine Vielzahl an Fragestellungen des Process Mining beantworten. Wir wollten es auf die Spitze treiben und haben mit den Python- und R-Skriptvisualisierungen Möglichkeiten gefunden, auch weitere Bibliotheken anzubinden.

Wer sich professionell mit Process Discovery und Conformance Checking von Prozessen auseinandersetzt und Python-Skript nicht scheut, kommt an pm4py nicht vorbei. Auf uns trifft beides zu, also haben wir besagte Tools integriert. Mit Hilfe der Python Skriptvisualisierung wird pm4py initialisiert, eine Process Discovery auf unserem Datensatz ausgeführt und visualisiert:

Das Schöne: Alle Filter in Power BI wirken automatisch auf das entsprechende Skript, so lassen sich beliebige Datenoperationen durchführen. Wir sind jetzt somit in der Lage von der kompletten Mächtigkeit von pm4py innerhalb von Power BI Gebrauch zu machen.

Einen Wermutstropfen gibt es dabei: Power BI sieht als Visualisierung immer einen Graph mit X- und Y-Achse vor, ein gerendertes Prozessmodell sieht darin etwas komisch aus. Mit ein bisschen mehr Energie (oder einem eigenen Visual) lässt sich aber auch das bestimmt kurzfristig lösen 😉.

Python Skriptvisualisierung für pm4py in Power BI.
Bild: Python Skriptvisualisierung für pm4py in Power BI.

Viele der vorgestellten Visualisierungsmöglichkeiten fokussieren auf Process Discovery und kombinieren die Prozessvisualisierungen mit statistischen Kennzahlen und Filtermöglichkeiten in Power BI. Die Performance Spectrum Analyse hingegen ist ein Ansatz, der Prozesse nicht auf Prozessschrittebene aggregiert. Vielmehr wird die Performance innerhalb eines Prozessschrittes und zwischen aufeinander folgenden Prozessschritten visualisiert (Quelle). Dieser Ansatz eignet sich besonders für Detailanalysen. Durch die Einbindung des R-Pakets psmineR in eine R-Visualisierung in Power BI, kann das Performance Spectrum in Power BI genutzt werden. Die folgende Berichtsseite zeigt, wie diese Visualisierung eingebunden werden kann. Interaktive Filter sowohl im Process Mining Visual als auch auf der Berichtsseite wirken sich direkt auf die R Visualisierung aus, so dass einer Detailanalyse nichts im Wege steht. 

R Skriptvisualisierung für psmineR in Power BI
Bild: R Skriptvisualisierung für psmineR in Power BI.

 

Fazit: Process Mining mit Power BI

Power BI eignet sich hervorragend für den leichtgewichtigen Einstieg in Process Mining. Insbesondere wenn das Werkzeug ohnehin lizenziert und im Unternehmen verfügbar ist.

Mithilfe der Basisfunktionalitäten und den Visuals aus dem Store lassen sich bereits hilfreiche Erkenntnisse über Prozessdaten ziehen und in Dashboards visualisieren.

Wenn umfangreicheres Process Mining genutzt werden soll, eignen sich oft spezialisiertere Werkzeuge oder die Enterprise-Visuals bzw. Produkte der verschiedenen Hersteller wie z.B. process.science.

 

Selbst aktiv werden

Sie möchten Ihre Prozesse durchleuchten und Engpässe auflösen oder ineffiziente Prozessvarianten identifizieren und abstellen? Planen Sie Process Mining zu etablieren und suchen nach dem passenden Werkzeug oder Beratungsunterstützung? Sprechen Sie uns gerne dazu an.
Mehr zu Process Mining Methoden und entsprechenden Werkzeugen erfahren Sie auch in unserem Process Mining-Seminar.
 

Die Autor:innen

Sina Nordlohne

Sina Nordlohne

Sina Nordlohne ist Beraterin bei der viadee IT-Unternehmensberatung. Hier beschäftigt sie sich mit den Themen Business Intelligence, Data Warehouse und SAS-Entwicklung, besonders im Bereich Banken und Finanzdienstleister.

Ronja Köhling

Ronja Köhling 

Ronja Köhling ist als Beraterin bei der viadee IT-Unternehmensberatung tätig. Ihre Schwerpunkte sind Künstliche Intelligenz und Data Mining.

Matthias Schulte

Matthias Schulte

viadee Berater Matthias Schulte ist BPM-Spezialist, Agilist und aktiv auf allen beteiligten Architekturschichten in Kundenprojekten und den viadee F&E-Bereichen.

 


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Matthias Schulte

Matthias Schulte

Matthias Schulte leitet den Kompetenzbereich "BPM und Prozessautomatisierung" der viadee Unternehmensberatung. Er ist BPM-Spezialist und begleitet Digitalisierungs- und Automatisierungsvorhaben seiner Kunden von der fachlichen Modellierung bis hin zur Automatisierung von Prozessen.

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