Per Wangenabstrich zur Lebensretterin

Mittwoch, 12.6.2024

Design ohne Titel (15)

So vielen Blutkrebspatient:innen wie möglich eine lebensrettende Stammzellspende ermöglichen – das ist das Ziel der DKMS. Dafür ist sie darauf angewiesen, dass sich möglichst viele Menschen mithilfe eines Wangenabstrichs als Stammzellspender:in registrieren. Die viadee unterstützt die Mission der DKMS bereits seit vielen Jahren. Viele unserer Kolleginnen und Kollegen sind als potenzielle Spender:innen registriert. Eine, bei der tatsächlich irgendwann das Telefon geklingelt hat, ist Uta Rassow. Die Geschichte ihrer Spende hat sie für diesen Blogbeitrag erzählt. 

Der erste Kontakt

Zu ihrem 18. Geburtstag bekommt Uta ein Schreiben der DKMS mit Informationen zur Registrierung, für die ein kurzer Wangenabstrich mit einem Wattestäbchen ausreicht. „Das habe ich gemacht und mich als Spenderin registriert – und dann eigentlich nie wieder darüber nachgedacht.“ 

Bis sie wenige Jahre später während einer Vorlesung auf ihr Handy schaut und einen verpassten Anruf einer unbekannten Nummer sieht. Gleichzeitig findet sie in ihrem E-Mail-Postfach eine Nachricht der DKMS: Sie kommt als Spenderin für eine Blutkrebspatientin in Frage. 

Ihr erster Gedanke: „Oh mein Gott, wie schnell muss ich jetzt reagieren, geht es um Stunden? Ich hatte ja gar keine Ahnung, wie so eine Spende abläuft.“ Uta verlässt also mitten in der Vorlesung den Hörsaal und ruft die DKMS zurück, die sie erst einmal beruhigen kann und ihr erklärt, dass die Spende ein Prozess von einigen Wochen bis mehreren Monaten ist. Sie erhält zunächst keine persönlichen Informationen über die Person, für die sie als Spenderin in Frage kommt, erfährt lediglich, dass es noch weitere mögliche Spender:innen gibt.

It’s a match

Um herauszufinden, wie gut die genetische Übereinstimmung von Uta und der betroffenen Person tatsächlich ist, macht sich Uta wenige Wochen nach dem ersten Kontakt mit der DKMS auf den Weg in eine Spezialklinik nach Köln. Dort wird auch untersucht, ob sie selbst gesundheitlich fit genug für eine Spende ist. 

ShipIt Day 24 UtaUta Rassow ist seit 2023 Beraterin bei der viadee

Entscheidend für die genetische Übereinstimmung sind bei der Stammzellspende die sogenannten HLA-Merkmale. Optimalerweise passen alle 10 Merkmale bei Patient:in und Spender:in zusammen. Auch bei geringerer Übereinstimmung kann eine Transplantation erwogen werden, das Abstoßungsrisiko kann dann jedoch erhöht sein. 

Nach der Untersuchung steht fest: It’s a perfect match. Alle 10 Merkmale stimmen bei Uta und der Empfängerin überein. Die beiden sind quasi genetische Zwillinge. Damit wird auch klar: Uta ist die beste Überlebenschance für die betroffene Patientin, bei allen anderen möglichen Spender:innen wurde mindestens ein nicht übereinstimmendes Merkmal festgestellt.

Die Entscheidung

Während dem Untersuchungstermin wird Uta auch über die Risiken einer Stammzellspende aufgeklärt. Ihr wird erklärt, dass es zwei verschiedene Verfahren gibt: die periphere Blutstammzellspende und die Knochenmarkspende. Bei der Blutstammzellspende wird den Spender:innen Blut aus einem Arm entnommen und in einer Maschine zentrifugiert, um die Stammzellen zu separieren. Das restliche Blut wird in den anderen Arm zurückgeführt. Im Gegensatz zur Blutstammzellspende ist für eine Knochenmarkspende eine Vollnarkose erforderlich, sie kommt jedoch deutlich seltener zum Einsatz.

Nach dem gesundheitlichen Check-Up, der genetischen Untersuchung und der Aufklärung über die Risiken ist der Weg für die Entscheidung frei. „Mir wurde immer wieder vermittelt, dass der Entschluss für oder gegen die Spende meine eigene, freie Entscheidung ist. Mir wurde aber auch erklärt, dass ein späterer Rücktritt von der Spende zwar jederzeit möglich ist, ab einem gewissen Punkt aber gravierende Folgen für die betroffene Person haben kann, deren Immunsystem vor der Spende heruntergefahren wird.“

Insgesamt ist Uta die Entscheidung für die Spende nicht schwergefallen: „In meinem Leben war ich noch nie in einer Situation, in der ich so krass zwei Dinge gegeneinanderhalten musste. Für mich gab es in dem Moment nichts, was daran herankam, was dieser mir unbekannten Person gerade passiert. Das stand in keinem Verhältnis zu dem, was ich tun musste, um zu helfen.“ 


Die Vorbereitung

Der Termin für die Entnahme wird ungefähr vier Wochen nach der Voruntersuchung angesetzt. Inzwischen hat Uta auch erfahren, dass bei ihr die Blutstammzellspende zum Einsatz kommen soll. Wenige Tage vor der Entnahme muss sie damit beginnen, sich morgens und abends je eine Spritze mit dem Botenstoff G-CSF zu verabreichen, der die Zirkulation von Stammzellen im Blut anregt. 

Sie verabreicht sich das Mittel selbst, hätte sich aber auch dafür entscheiden können, dass eine Pflegeperson sie dabei unterstützt. Im ersten Moment ist das Spritzen etwas ungewohnt: „Das hat schon etwas Überwindung gekostet. Ich habe auch nicht immer direkt die richtige Stelle getroffen. Über die möglichen, leichten Nebenwirkungen wurde ich aber im Vorhinein gut aufgeklärt. Ich hatte nach ein paar Tagen leichte Gliederschmerzen und habe mich ein bisschen abgeschlagen gefühlt, so als würde ich bald krank werden. Alles in allem waren die Nebenwirkungen aber nicht der Rede wert.“ 

Die Stammzellspende wird nicht in regulären Krankenhäusern, sondern in spezialisierten Entnahmezentren durchgeführt. Utas Spende soll in einem Kölner Zentrum stattfinden. Um Anreise, Verpflegung und Hotelzimmer muss sie sich nicht selbst kümmern: „Alles wurde von der DKMS organisiert. Man hat an jeder Stelle gemerkt, dass man es mir so angenehm und einfach wie möglich machen möchte. Der ganze Prozess war eine ziemliche Dienstleistung für mich als freiwillige Spenderin."


Der Tag der Spende

Nach der Anreise am Vorabend macht sich Uta am Tag der Spende vom Hotel aus auf den Weg ins Entnahmezentrum. „In der Klinik ist mir direkt die angenehme Atmosphäre aufgefallen: Es war sehr “wohnzimmerlich”, bunt und liebevoll dekoriert. Die Mitarbeiter:innen waren wahnsinnig freundlich, es gab keine Wartezeiten. Das war ein ziemlicher Kontrast zu Krankenhäusern, die man sonst so kennt.“

075A1EFA-4D1E-45A3-A1F5-7DD2FBD3D18FGleichzeitig mit Uta spenden an diesem Tag noch vier weitere Personen. Nachdem man sich gemeinschaftlich für einen Film entschieden hat, kann es losgehen. An beiden Armen wird Uta ein Zugang gelegt: Durch eine Vene wird das Blut entnommen, durch die andere läuft es nach Herausfiltern der Stammzellen zurück in den Körper. „Das Blut, das zurück in den Körper läuft, ist kälter als die eigene Körpertemperatur. Das ist ein komisches Gefühl, es kribbelt dabei ein bisschen. Man hat sich aber schnell daran gewöhnt.“ Während der Spende darf Uta sich nicht bewegen, kurze Pausen sind aber möglich. Nach vier Stunden ist es geschafft. Die Spende beschreibt Uta insgesamt als etwas unangenehm, aber nicht als schmerzhaft. „Vor allem mit Blick darauf, was mit der Spende bewirkt werden kann, kommt es mir vor, als hätte ich dafür quasi Nichts tun müssen.“

Nach der Spende bekommt Uta in der Klinik eine Mahlzeit und macht sich nachmittags wieder auf den Weg ins Hotel. In seltenen Fällen kann nach dem ersten noch ein zweiter Entnahmetag notwendig sein, Uta kann sich am nächsten Morgen aber direkt auf den Weg nach Hause machen. 

Nach der Spende

Im Anschluss an ihre Spende wird Uta gefragt, ob sie über den Gesundheitszustand der Person informiert werden möchte, für die sie gespendet hat. Zu diesem Zeitpunkt weiß sie nicht mehr, als dass es sich um eine weibliche Patientin handelt. Für einen Zeitraum von zwei Jahren wird nach der Spende die Anonymität von Spender:in und Patient:in gewahrt. Uta willigt ein, über den Gesundheitszustand informiert werden zu wollen. „Ich hätte das auch verneinen können und glaube, dass man sich das auch gut überlegen und sich fragen muss, ob man zum Beispiel auch mit der Nachricht umgehen könnte, dass die Person es trotz der Spende nicht geschafft hat.“

Uta bekommt erleichternde Nachrichten: Die Spende wurde gut angenommen und es geht der Patientin den Umständen entsprechend gut. Uta hätte in dieser Zeit anonym per Brief Kontakt zu ihr aufnehmen können, entscheidet sich aber, die zweijährige Frist abzuwarten, bis die persönlichen Kontaktdaten ausgetauscht werden können. Ein Kennenlernen von Spender:in und Empfänger:in ist selbstverständlich nur möglich, wenn beide Parteien damit einverstanden sind. Für beide Möglichkeiten gibt es gute Gründe, bei der individuellen Entscheidung unterstützt die DKMS sowohl die Patient:innen als auch die Spender:innen.

Das Kennenlernen

Uta entscheidet sich, den ersten Schritt der Kontaktaufnahme der Empfängerin zu überlassen. Und tatsächlich: Nach zweieinhalb Jahren bekommt sie eine E-Mail mit der Nachricht, dass die Patientin sie kennenlernen möchte. Uta willigt in die Übermittlung ihrer Daten ein. Kurze Zeit später bekommt sie eine lange E-Mail von der Empfängerin, die darin von ihrer Geschichte erzählt und berichtet, wie es ihr seit der Spende ergangen ist.

„Ich war komplett aus dem Häuschen. Die Person hätte von irgendwo auf der Welt kommen können, tatsächlich hat sie aber nur ein paar Städte weiter gewohnt. Ich habe dann direkt Fotos und Infos über mich zurückgeschickt.“ Danach telefonieren die beiden und verabreden sich für ein persönliches Treffen. Dafür fährt Uta zur Empfängerin nach Hause. „Es war überwältigend. Sie ist eine total fröhliche Person. Ich hatte vorher die Befürchtung, dass wir vielleicht nur in die Vergangenheit blicken und eine zu überwältigende Dankbarkeit mich überfordern könnte. Aber wir hatten ein angeregtes Gespräch und haben auch über ganz andere Dinge gesprochen. Wir haben uns sofort super verstanden.“

Von der Empfängerin erfährt Uta, was für eine Erleichterung es für die ganze Familie war, dass ein genetischer Zwilling gefunden werden konnte. Eine Untersuchung der Familienmitglieder hatte zuvor keine perfekte Übereinstimmung ergeben. „Die Kinder sind ungefähr in meinem Alter. Die Vorstellung, dass sie so jung ihre Mama verloren hätten, die jetzt dank der Spende wieder ein fast normales Leben führen kann - das ist ein Gefühl, für das mir wirklich die Worte fehlen.“

Ab und zu haben Uta und die Empfängerin auch jetzt, Jahre nach der Spende, noch Kontakt. Mit Rückblick auf ihre Spende sagt sie heute: „Ich musste nicht in ein brennendes Haus rennen oder so, ich habe mich nur ein paar Stunden zum Blutabnehmen hingesetzt und dabei einen Film geschaut. Dass man damit einem Menschen das Leben retten kann, fühlt sich immer noch verrückt an. Kurz gesagt: Alle sollten sich typisieren lassen!“

Eine Herzensangelegenheit

Uta ist nicht die einzige viadeeler:in, die schon einmal Stammzellen gespendet hat. Sven Woltering hat 2018 ebenfalls gespendet und darüber einen Erfahrungsbericht geschrieben. 

komprimiert DKMS ShipIt Day-1Registrierungsaktion für die DKMS auf dem ShipIt Day 2024

Die viadee hat in den letzten Jahren mehrere Registrierungsaktionen für die DKMS durchgeführt, zuletzt auf unserem diesjährigen ShipIt Day. Alle Kosten für Wangenabstrich, Laboruntersuchung und Registrierung in der Datenbank übernehmen wir dabei in Form einer Spende. 
Die Initiative für das Engagement kam von unserem Vorstand Dr. Volker Oshege, der als Kind den Tod des Bruders seines damals besten Freundes durch Leukämie erlebte. Wir werden uns weiter für die Verbreitung der Idee, Spender:in zu werden, einsetzen – und sind stolz, dass unsere Mitarbeitenden uns dabei unterstützen. 

 


 

Schon Registriert?

Hier kannst du dir ein kostenloses Registrierungsset der DKMS nach Hause schicken lassen. Du bist schon registriert, aber seitdem umgezogen? Hier kannst du deine Adresse aktualisieren. 

Natürlich kannst du dich auch bei jeder anderen Spenderorganisation registrieren. Alle Organisationen teilen ihre Daten mit einem zentralen Register. 

 


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Kommentare

Leonie Brockamp

Leonie Brockamp

Leonie Brockamp ist seit 2023 als Werkstudentin im Marketing-Team der viadee Unternehmensberatung AG tätig und legt ihren Schwerpunkt auf das Employer Branding.