Unsere Erfahrungen aus einem Kundenprojekte in der Energiebranche bereiten wir in einer dreiteiligen Serie auf. Erfahren Sie wie Datenmigration mit RPA gelingt, welche organisatorischen Rahmenbedingungen beachten werden müssen und wie RPA-Entwicklung mit mateo umgesetzt werden kann.
Im ersten Teil unserer neuen Blog-Reihe über Robotic Process Automation (RPA) geht es um den Anwendungsfall der Datenmigration. Sie erfahren, welche Herausforderungen eine Datenmigration mit sich bringt, welche Migrationsverfahren gegeneinander abzuwägen sind, warum RPA ein geeigneter Lösungsansatz sein kann und wie der Projektablauf aussehen könnte. Die vorgestellten Erkenntnisse basieren auf den Erfahrungen aus einem unserer Kundenprojekte in der Energiebranche.
Datenmigration als Herausforderung
Es kann viele Gründe für die Durchführung einer fachlichen Datenmigration geben. Die fachliche Datenmigration in unserem Kundenprojekt erfolgte aufgrund gesetzlicher Vorgaben im Zusammenhang mit Fusionen und Ausgliederungen.
Die Ausgliederung eines Geschäftsbereichs erforderte die Übertragung eines Teils des Kundenstamms auf eine neue Gesellschaft. Für diese Gesellschaft wurde im bestehenden ERP-System ein neuer Mandant angelegt. Das bedeutet, dass eine neue kaufmännische, organisatorische und datentechnisch eigenständige Einheit mit eigenen Kundenstammdaten innerhalb des bestehenden ERP-Systems geschaffen wurde. Die Stammdaten mussten aus zwei unterschiedlichen Mandaten auf den neuen Mandanten übertragen werden. Die enge Verflechtung des ERP-Systems in Form von Geschäftsregeln, Anwendungssystemen, Schnittstellen und Datenbeziehungen musste für den neuen Mandanten beibehalten und in der Migration berücksichtigt werden.
Ziel des Projektes war eine fachlich richtige, technisch sichere und zuverlässige Datenmigration. Was sich zunächst nach einem einfachen Vorhaben anhört, darf jedoch nicht unterschätzt werden.
Die Kundendaten in den Quellmandaten sind über einen langen Zeitraum gewachsen. Die Anwendungssysteme wurden während dieses Zeitraums kontinuierlich überarbeitet und an neue Geschäftsanforderungen angepasst. Dies führte zu vielfältigen Herausforderungen. Dazu gehörten zum Beispiel der Umgang mit veralteten Datensätzen, welche nicht mehr den aktuellen Eingaberegeln entsprachen oder die Rekonstruktion undurchsichtiger Datenbankbeziehungen. Zudem mussten Schnittstellen zum Austausch von Funktionen und Daten zwischen den verschiedenen Systemen nachvollzogen werden. Beispielsweise musste der Auslöser zur Anlage eines neuen Kundenstammdatensatzes im ERP-System vom Kundenmanagement-System ausgehen und nicht umgekehrt. Dies erforderte vielfältiges Knowhow über historische Zusammenhänge in einer gewachsenen Systemlandschaft, die sich am Ende ihres Lebenszyklus befindet.
Die Reduzierung von Personal für die Weiterentwicklung und den Systembetrieb sowie die Fokussierung der Abteilungen auf die Einführung neuer Systeme führte zu einem Ressourcen- und Kapazitätsengpass. Dies wurde insbesondere bei der Anforderungsanalyse und der Konzeption eines fachlichen Regelwerks für die Migration deutlich.
Unser Verständnis von RPA
Robotic Process Automation ist eine Technologie zur Automatisierung von Anwendungen und Systemen. Hierbei agiert die RPA-Software ähnlich wie ein Mensch über das User-Interface, bringt jedoch gleichzeitig Funktionalitäten mit, um mit Schnittstellen oder Datenbanken zu kommunizieren. Dadurch eignet sich eine solche Software hervorragend, um aufbauend auf bestehenden Anwendungen und Systemen stark strukturierte und sich häufig wiederholende Aufgaben und Prozesse zu automatisieren.
RPA als Lösungsansatz
Alternative Migrationsverfahren
In dem beschriebenen Projektkontext wurden neben RPA noch zwei weitere Verfahren in Betracht gezogen und gegeneinander abgewogen. Dazu zählen eine systemseitige Migration auf Datenbankebene durch die IT-Abteilung und ein manuelles “händisches” Vorgehen mit der Unterstützung von Fach- und Service-Abteilungen.
Bei einer systemseitigen Datenmigration werden üblicherweise Migrationsmethoden und -werkzeuge, wie ETL (extract, transform, load) und entsprechende Datenbank-Tools verwendet. Das Migrationsverfahren hat den Vorteil, dass, sobald der ETL-Prozess realisiert ist, eine große Datenmenge in kurzer Zeit überführt werden kann. Um die erforderlichen Programmier- und Testaktivitäten auf Datenbankebene zu realisieren, sind spezialisierte Fachkräfte notwendig. Bedingt durch den Projektkontext war der Engpass an verfügbaren Ressourcen und Knowhow für eine systemseitige Datenmigration groß. Hinzu kam die Tatsache, dass die zu migrierende Datenmenge mit mehreren tausend Datensätze nicht ausreichend war, um den Aufwand dieses Verfahren zu rechtfertigen.
Wenn die Datenmenge gering ist und ausreichend Zeit zur Verfügung steht, ist als weitere Methode zur Datenmigration die manuelle Übertragung der Daten vom Quell- in das Zielsystem über die Benutzeroberfläche der Anwendungssysteme eine zu evaluierende Option. Dies kann bei entsprechender Vorbereitung, geringer Komplexität des Datenschemas und hinreichend freier Kapazitäten in Abteilungen der Fach- oder Service-Organisationen kosteneffizient sein. In unserem Fall sprach neben dem Faktor Zeit im Wesentlichen der Faktor Qualität gegen die manuelle Datenmigration. Die größte Gefahr wurde in fehlerhaften Dateneingaben durch menschliche Routinearbeit á la Copy & Paste vermutet. Insbesondere da bei der Migration personenbezogen Kundendaten (z. B. Bankverbindungen) verarbeitet wurden, wurde auf die Qualitätssicherung ein besonderes Augenmerk gelegt.
Robotic Process Automation als Migrationsverfahren
In der Regel wird RPA mit der Automatisierung von stark repetitiven Routineaufgaben oder Prozessen im Tagesgeschäft assoziiert. Dennoch kann sich der Einsatz in begrenztem Zeitrahmen, wie einer Datenmigration, lohnen, da auch hier ein hoher Durchsatz an sich wiederholenden und stark strukturierten Schrittfolgen vorliegt. In unserem Fall mussten wir drei größere Schrittfolgen jeweils mit mehreren Tausend Datensätzen durchlaufen, um die Kundendaten aus dem Quell- in den Zielmandanten zu überführen.
Im Vergleich zu einer systemseitigen Datenmigration hat RPA-Software den Vorteil, dass diese meist einem Low-Code-Ansatz folgt und damit weniger Programmieraufwand mit sich bringt. Zudem enthält die Software out-of-the-box vordefinierte und wiederverwendbare Methoden, sodass Abläufe möglichst effizient und in kurzer Zeit automatisiert werden können. Zusätzlich besteht die Möglichkeit den Einsatz von Personal aus dem Datenbank- und Entwicklungsbereich zu minimieren. Dies setzt jedoch voraus, dass andere Personen im Unternehmen mit dem Umgang der RPA-Software geschult sind.
Ein Vorteil von RPA gegenüber einer manuellen Migration ist der Faktor Zeit. Mit der richtigen Infrastruktur lassen sich einmal automatisierte Schrittfolgen durch den Einsatz mehrerer Instanzen einer RPA-Software einfach parallelisieren. Zudem kann die Software in der Theorie 24h/7d ohne Unterbrechung betrieben werden, wenn die automatisierten Anwendungen dies erlauben und es beispielsweise keine Tagesend- oder Nachtverarbeitungen gibt. Somit hat RPA einen Vorteil beim Zeitfaktor, selbst wenn die Bediengeschwindigkeit der Anwendung der des Menschen ähnelt.
Beim Faktor Datenqualität und -sicherheit kann RPA sowohl gegenüber einer systemseitigen als auch einer manuellen Datenmigration Vorteile aufweisen. Beispielweise können bei der Nutzung von RPA zur Datenübertragung die bestehenden Regeln und Prüfroutinen des Zielsystems als Qualitätssicherung genutzt werden. Dazu wird angenommen, dass das Zielsystem die Eingabe von unvollständigen oder fehlerhaften Datensätzen verweigert. Diese Datensätze können ausgesteuert und anschließend bereinigt werden. Dies ist insbesondere für Systeme relevant, bei denen das Thema Datenqualität eine Dauerbaustelle ist. Außerdem folgt die Software vorab definierten Schritten und Regeln, sodass die fehlerhafte Datenübertragung nahezu ausgeschlossen werden kann. Darüber hinaus werden kritische und personenbezogene Daten nicht von Menschen zwischen den Systemen verschoben, was ein großer Vorteil für die Datensicherheit ist.
Ein weiterer Vorteil von RPA gegenüber einer systemseitigen Migration stellt die bereits angedeutete Verwendung von bestehenden Systemfunktionen dar. Beispielsweise kann bestehenden Workflows, Eingabemasken oder Prüfroutinen über die Benutzeroberfläche des Systems gefolgt werden. Dies hat den großen Vorteil, dass die Geschäftslogik nicht im Detail nachgebaut werden muss. Dies führt dazu, dass weniger spezifisches System-Knowhow benötigt wird und wiederum knappe Ressourcen geschont werden.
Die konkreten Herausforderungen im Projekt und die Vorteile von RPA gegenüber den anderen Verfahren führten zur Entscheidung für RPA als Migrationsverfahren. Die Verantwortlichen waren sich einig, dass RPA das Ziel einer fachlich richtigen, technisch sicheren und zuverlässigen Datenmigration optimal unterstützt.
Der Projektablauf bei einer Datenmigration mit RPA
Wie sah der Projektablauf für den Einsatz von RPA zur Datenmigration aus? Die folgende Abbildung gibt hierzu einen Überblick. Dabei handelte es sich um einen iterativen Prozess, bei dem zur Bearbeitung einzelner Arbeitspakete immer wieder zwischen den Phasen gewechselt wurde.
Zunächst wurde in einer Vorstudie oder technischen Machbarkeitsanalyse evaluiert, ob mit der zur Verfügung stehenden RPA-Software die Oberfläche der Zielanwendungen zuverlässig automatisiert werden konnte. Anschließend konnten organisatorische Rahmenbedingungen definiert werden. Dazu zählten Regelungen hinsichtlich des Compliance- und des IT-Sicherheitskonformen Einsatzes der RPA-Software sowie Regelungen zum Betriebskonzept und der gewählten Infrastruktur. Die fachliche Anforderungsanalyse wurde abhängig von dem gewählten Migrationsverfahren durchgeführt, um eine zuverlässige und erfolgreiche Migration zu gewährleisten. Der Output dieser Phase war ein von allen Stakeholderinnen und Stakeholder für das Migrationsvorhaben abgesegnetes Fachkonzept. Dies ging mit dem Entwurf eines Automations-Konzeptes einher, dem technischen Pendant des Fachkonzepts. Die Entwicklung, der Test und die Abnahme der Automationsskripte erfolgte nach gängigen Prinzipien der Softwareentwicklung.
RPA als Softwareentwicklung
RPA wird häufig mit einfacher und intelligenter Prozessautomatisierung assoziiert. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Automatisierung mit RPA in vielen Aspekten mit Software-Entwicklung gleichzusetzen ist. Das bedeutet, dass ein ordentlicher Entwicklungsprozess durchlaufen werden sollte, um eine sichere und nachhaltige Automatisierung zu gewährleisten. Neben Tests und Abnahmen beinhaltet dies zum Beispiel auch den Aufbau einer Entwicklungsinfrastruktur, die Versionskontrollen zulässt oder wieder verwendbare Funktionen in Form von Bibliotheken anderer Entwicklerinnen und Entwickler zur Verfügung stellt. Zudem ist die Befolgung gängiger Entwicklungsprinzipien, wie KISS, DRY, Modularisierung und Globalisierung, sinnvoll.
Nach der Entwicklung der Automatisierungsskripte konnte mit dem Go-Live und der eigentlichen Migration begonnen werden. Diese musste überwacht werden, um in kritischen Ausnahmesituationen eingreifen zu können. Zum Abschluss des Projektes wurde ein Ergebnisreport angefertigt. In unserem Kundenbeispiel konnten wir mit einer Quote von 95 Prozent erfolgreich migrierter Datensätze überzeugen.
Zeit- und Umsetzungsaufwand des RPA-Projekts
Ein paar Rahmendaten zur Einordnung von Größenordnung und Zeitaufwand: Es wurden rund 6.000 Stammdatensätze in einer RPA-Laufzeit von 500 Stunden migriert. Durch die Skalierung auf sechs RPA-Instanzen bei einer täglichen Laufzeit zwischen 14 und 15 Stunden hat die Migration sechs Tage gedauert. Stellt man diese Laufzeit einer manuellen Migration gegenüber, so hätte diese wesentlich mehr Zeit benötigt und das Risiko fehlerhafter Datenübernahmen würde bestehen.
Der Zeitaufwand für die Umsetzung des Projektes hat sich in zwei Bereiche aufgeteilt. Der erste Bereich bestand aus einer Reihe von organisatorischen, analytischen und konzeptionellen Aufgaben, die unabhängig von der Migrationsart notwendig gewesen sind. Der zweite Bereich umfasste die reine Entwicklung und Abnahme der Automatisierungsskripte und hat eine Person 2-3 Wochen ausgelastet.
Mit dem vorliegenden Artikel haben wir erläutert, warum sich RPA als Werkzeug für eine Datenmigration eigenen kann. Der Erfolg im Kundenprojekt hat die Eignung von RPA als Migrationsverfahren eindrucksvoll bestätigt.
Unsere Blogserie zu Datenmigration und RPA
In zwei Folgeartikeln werden wir einige der Phasen des RPA-Projektablaufs eingehender betrachten. Freuen Sie sich auf spannende Beiträge zu folgenden Themen:
- Organisatorische Rahmenbedingungen beim RPA-Einsatz – Was Sie bei Compliance, Sicherheit, Betriebskonzept und Infrastruktur beachten müssen
- RPA-Entwicklung mit mateo für unser Datenmigrationsprojekt
Was machen Sie mit Ihrer Legacy IT?
Einen Ansatz für mögliche Handlungsempfehlungen bietet unser Legacy Index. Ermitteln Sie Ihren individuellen Wert!
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