Wie relevant sind User-Experience Methoden in der Anwendungsentwicklung?

Dienstag, 13.12.2022

Brainstorming kreative Gruppenarbeit UX-Design

In Kundenprojekten sind wir fast immer auch im Themenfeld der User Experience (UX) tätig. Manchmal suchen Kund:innen explizit nach Unterstützung im Design ihrer Anwendungen, oftmals fließt das Thema aber implizit bei der Entwicklung einer Anwendung ein. Hier setzen wir unsere vielfach erprobten Methoden und Vorgehensweisen ein. Nun haben wir bei der Entwicklung einer internen Anwendung den Mehrwert von User Experience und unsere Beratungsleistung dazu mal wieder auf den Prüfstand gestellt, um unserem Anspruch der kontinuierlichen Verbesserung gerecht zu werden.

 

Wofür steht eigentlich User Experience?

User Experience (kurz UX) fokussiert die Erfahrung von Benutzer:innen mit einer Anwendung. Dabei geht es jedoch nicht nur um den Zeitpunkt der Nutzung ("Usability"), sondern auch um ihre Erwartungshaltung an die Anwendung vor der Nutzung sowie ihre Bewertung im Nachgang. Im Kern sind eine strukturierte Vorgehensweise und verschiedene Methoden aus Sicht der Benutzer:innen vorgesehen. Mit einer sogenannten User Journey Map werden beispielsweise die gesamten Interaktionspunkte von Anwender:innen mit der Software festgehalten, um eine ganzheitliche Betrachtung zu gewährleisten. Des Weiteren werden Benutzer:innen zu ihren Wünschen und ihrem Verhalten befragt und bei der Nutzung beobachtet. Darauf aufbauend kann bei der Anforderungsanalyse, der Konzeption, in der Umsetzung und im Test einer Anwendung ganz bewusst die Perspektive der Anwender:innen eingenommen werden. User Experience hat damit eine Schnittmenge zu allen Bereichen der Softwareentwicklung.

 

Wie kann das aussehen?

Da hier nicht die Anwendung selbst, sondern die Methoden im Vordergrund stehen, haben wir ausdrücklich als Testzweck eine interne Onboarding-App für neue Kolleg:innen entwickelt. Mit dieser mobilen Anwendung können beispielsweise regelmäßige Events eingesehen oder Verlinkungen auf andere interne Dienste aufgerufen werden. Im Rahmen der Entwicklung der Onboarding-App haben wir explizit durch die Brille der User Experience geblickt und evaluiert, welchen Mehrwert UX leisten kann. In den folgenden Absätzen sind nun Fragen und Methoden aufgeführt, die ein gutes UX-Design ausmachen.

 

In welchem Umfeld wird die Anwendung verwendet?

Schon vor der Verwendung einer App haben Anwender:innen eine bestimmte Erwartungshaltung, die im Rahmen eines Nutzungskontextes analysiert wird. In einer moderierten Diskussion tauschen sich relevante Benutzer:innen über Ist-Szenarien aus (sogenannte Fokusgruppen). Hierbei werden verschiedene Benutzergruppen identifiziert und deren Nutzung analysiert. Bei Bedarf werden einzelne prototypische Nutzer:innen, respektive Personas, je Benutzergruppe innerhalb kurzer Zeit abgeleitet. Diese fordern den Blick aus Anwendersicht bei den Projektbeteiligten immer wieder ein.  Um das Vorgehen besser zu strukturieren und ein klares Ziel im Blick zu haben, ist es hilfreich, eine Gruppe als primäre Nutzer:innen herauszuheben und auch eine höhere Priorität einzuräumen. 

In unserem Beispiel sind die neue Kolleg:innen, Bewerber:innen und Administrator:innen relevante Nutzungsgruppen, wobei die neuen Kolleg:innen die primäre Gruppe sind. Unsere prototypische Nutzerin, d.h. unsere Persona, ist "Rebecka" – 25 Jahre alt, motiviert, neugierig und technisch interessiert (siehe Bild 1). Sie möchte sich schnell in die Unternehmenskultur integrieren und eine Anleitung erhalten, wann welche Inhalte relevant sind. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer intuitiven und einfach bedienbaren App, die ohne Expertenwissen und Erklärungen auskommt.

Persona "Rebecka" Steckbrief

Bild 1: Persona "Rebecka"

 

Welchen Einfluss hat die Analyse auf die menschzentrierte Konzeption?

Auf Basis der Kontextanalyse kann die Konzeption der Lösungen erfolgen. Dabei sind stets die Personen, die die Anwendung nutzen, in den Fokus zu rücken, gegebenenfalls auch mithilfe der erstellten Persona. Neben den relevanten funktionalen Anforderungen ist besonders zu berücksichtigen, wie zufriedenstellend Personen die App nutzen können. Bestenfalls wird daher bei der Definition der Navigationsstruktur – also der Frage, wie sich Anwender:innen durch die App bewegen können – auf Vorlagen mit umfangreichen Erfahrungswerten zurückgegriffen, damit sich auch die Nutzer:innen sofort auf Basis ihrer eigenen App-Erfahrung zurecht finden. Dazu nutzen wir einerseits allgemeingültige Gestaltungsregeln und andererseits Best Practices aus unserer Projekterfahrung. Für unsere Onboarding-App verwenden wir daher beispielsweise das Hamburger-Menü-Symbol ( ☰ ), bei dem Anwender:innen direkt ein verstecktes Menü erwarten.

Im Interaktionsdesign kann darüber hinaus ein spezielles Augenmerk auf die erstmalige Nutzung und den doppelten Boden gelegt werden. Damit ist gemeint, dass Nutzer:innen das Gefühl bekommen sollten, dass sie in der App durch ihr Klicken und Ausprobieren nichts falsch machen können. Bei der Konzeption des Interaktionsdesigns könnten daher Bestätigungsfragen eingebaut werden ("Bist Du sicher, dass Du dem Link folgen möchtest?").

Auswahl der Methoden und Tools
  • Fokusgruppe
  • Beobachtungen
  • Befragung
  • Personas
  • User Journey Maps
  • Sketches
  • Wireframes
  • Prototypen
  • UX-Tests
  • Balsamiq
  • Axure RP

 

Wie können Konzeptionsentwürfe sinnvoll entwickelt werden?

Das hört sich zunächst noch sehr abstrakt an – für die Kommunikation mit Nutzer:innen wie auch dem Entwicklungsteam sollten Diskussionsstände "greifbar" gemacht werden. Es ist sinnvoll, einfache Skizzen ("Sketches") am Whiteboard zu entwerfen, um in einer kleinen Gruppe schnelle Änderungszyklen zu ermöglichen. In einem Workshop werden so viele Ideen in kurzer Zeit visualisiert und diskutiert. Darauf aufbauend werden dann in verschiedenen Tools digitale, funktionslose Entwürfe der Oberfläche ("Wireframes") und Klick-Dummies erstellt (siehe Bild 2).

Erstellung von Wireframs

Bild 2: Erstellung von Wireframes

Verschiedene Tests und Befragungen von Anwender:innen bieten die Möglichkeit, die erarbeiteten Gestaltungslösungen in Form der Wireframes zu evaluieren. Die Granularität der Wireframes ist unter anderem von der Projektphase und dem Zweck abhängig. Für unsere Onboarding-App haben wir zunächst grobe Entwürfe mithilfe der Anwendung "Balsamiq" erstellt, sodass ein gemeinsames Verständnis im Team erzielt werden konnte (siehe Bild 3).

Grober Entwurf der Anwendung, erstellt in Balsamiq

Bild 3: Grober Entwurf, erstellt in Balsamiq von Rebekka Heilmann

Mit der verfeinerten Darstellung im UX-Tool "Axure RP" (siehe Bild 4) können das Design zum User Interface mit vorhandenen Styleguides greifbar gemacht und Informationen in den Kontext gesetzt werden. Um die Navigation in der App von Anwender:innen zu testen, werden die vorhandenen Wireframes einfach mit Links verbunden. Hierdurch wird ein interaktives System in Form eines Prototypen simuliert.

Dank der Methoden und Tools aus der User Experience können wir so schnell Nutzerfeedback schon vor der Entwicklung einholen und Anforderungen validieren. Dadurch können aufwändigere Änderungen im Nachgang reduziert werden.

Detaillierterer Entwurf der Anwendung, erstellt in Balsamiq

Bild 4: Detaillierterer Entwurf, erstellt in Axure RP von Rebekka Heilmann

 

Braucht es UX?

Die meisten Tools und Methoden werden schon seit Jahren in der Softwareentwicklung verwendet und auch das Thema "User Experience" ist nicht neu. Die strukturierte Vorgehensweise hilft jedoch, sich immer wieder auf den Kern zu besinnen: Der Mensch steht im Fokus und für ihn wird die Anwendung entwickelt. Daher stehen wir für User Experience und plädieren auch bei Ihnen für eine explizite Beschäftigung mit User Experience sowohl bei der Entwicklung von Anwendungen für Ihre Kund:innen als auch bei der Umsetzung von unternehmensinterner Software.


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Stefanie Schuster

Stefanie Schuster

Stefanie Schuster unterstützt unsere Kund:innen im Projekt- und Prozessmanagement. Dabei interessiert sie sich vor allem für Umsetzungen im agilen Umfeld und für die erfolgreiche Kommunikation und Zusammenarbeit verschiedener Stakeholder:innen.

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