Die Reise zur Gemeinwohl-Ökonomie-Bilanz begann für uns mit einem tiefgehenden Nachdenken über ökologische Nachhaltigkeit. Wie können wir als Unternehmen unseren ökologischen Fußabdruck minimieren? Um Antworten zu finden, starteten wir Anfang 2021 eine Umfrage unter unseren Mitarbeitenden, auf die zahlreiche kreative Vorschläge und Anregungen folgten.
Aus den Ideen formierte sich schnell eine engagierte Arbeitsgruppe, die in den kommenden Monaten zahlreiche Maßnahmen umsetzte:
- Nachhaltige Mobilität: Unser traditionelles Firmenwagenmodell wurde durch ein Firmenfahrradmodell ersetzt.
- Langlebigkeit der Technik: Wir verlängerten die Nutzungsdauer von Hardware – Notebooks und Smartphones.
- Lokale Beschaffung: Büromaterial beziehen wir nur noch von lokalen Anbietern. In Münster erfolgt die Lieferung beispielsweise umweltfreundlich per „Leeze“ (Fahrrad).
Ein besonderes Highlight: Im Dezember 2021 unterstützten wir die Wiederaufforstung eines durch den Borkenkäfer schwer beschädigten Waldstücks in Münster. Tatkräftig halfen wir bei der Pflanzung der neuen Setzlinge – mittlerweile haben wir unseren eigenen „viadee Wald“ geschaffen!
Für die Heizungsoptimierung in unseren Büros sind wir innovative Wege gegangen. In zwei unserer drei Geschäftsstellen haben wir die manuellen Heizungsventile durch fernsteuerbare Modelle ersetzt und diese mit unserem eigenen Raumbuchungssystem „buuky“ verknüpft. So stellen wir sicher, dass nur die tatsächlich gebuchten Räume beheizt werden. In der Heizperiode 2022/23 konnten wir so über 50 % Heizenergie (und Kosten) im Vergleich zum Vorjahr einsparen.
Obwohl das ökologische Bewusstsein unter unseren Mitarbeitenden merklich gestärkt wurde, war uns das nicht genug. Der Begriff Nachhaltigkeit umfasst schließlich nicht nur die ökologische, sondern auch die soziale und ökonomische Dimension. Diese Aspekte hatten wir bisher noch nicht systematisch betrachtet.
Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ):
Ein ganzheitlicher Ansatz für mehr Verantwortung
Unser Wachstum eröffnet uns neue Möglichkeiten, bringt jedoch auch eine stärkere gesellschaftliche Verantwortung mit sich. Wir möchten unseren positiven Einfluss als Unternehmen aktiv gestalten. Dies wird nicht nur durch unseren eigenen Antrieb motiviert, sondern auch durch gesetzliche Rahmenbedingungen: Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden und/oder einem Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro sind verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Dabei gilt es, die Anforderungen des Corporate Sustainable Reporting Standard (CSRD) zu erfüllen.
Um dieser Herausforderung zu begegnen, beschäftigten wir uns intensiv mit möglichen Berichtstandards. Uns war klar, dass wir keinen Ansatz wählen wollten, der lediglich als „Feigenblatt“ dient. Stattdessen strebten wir an, ein vollständiges, nicht-finanzorientiertes Kennzahlensystem zur Unternehmenssteuerung aufzubauen.
Bei der Recherche stießen wir auf die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ), ein Wirtschaftsmodell, das 2010 als zivilgesellschaftliche Reformbewegung entstand. Hierbei werden wirtschaftliche Aktivitäten auf ein demokratisch definiertes Gemeinwohl ausgerichtet. Die zugrunde liegenden Werte – wie Kooperation, Menschenwürde, Solidarität, Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Mitbestimmung – spiegeln sich bereits in unserer Unternehmens-DNA wider und sprachen uns sofort an.
Die GWÖ-Bilanz ermöglicht einen ganzheitlichen und systematischen Blick auf das eigene Wirtschaften (ökonomisch, aber auch ökologisch und sozial). Sie schafft ein ganzheitliches Bild des Unternehmens, weg von reinen Finanzkennzahlen hin zu Kennzahlen, die das soziale und ökologische Umfeld berücksichtigen. Beispiele hierfür sind die Arbeitsbedingungen oder die ökologischen Auswirkungen der eigenen Mobilität.
Von der Idee zur GWÖ-Bilanz
Im April 2023 starteten wir unseren strukturierten Prozess. Fünf Arbeitsgruppen, bestehend aus Mitarbeitenden verschiedener Unternehmensbereiche und einem externen Coach, konzentrierten sich auf die fünf Berührungsgruppen der GWÖ: Lieferanten, Eigentümer und Finanzpartner, Mitarbeitende, Kunden und Mitunternehmen sowie das gesellschaftliche Umfeld.
In zahlreichen Workshops erfassten wir Bestandsaufnahmen, sammelten Indikatoren und identifizierten mögliche Maßnahmen. Die gesammelten Daten fanden ihren Platz im Tool „Goodbalancer“, mit dem anschließend unsere GWÖ-Bilanz erstellt wurde.
Im Rahmen der Arbeiten gab es einige positive Überraschungen bzw. Erkenntnisse, wo wir bereits gemeinwohlorientiert sind, obwohl wir es vorher nicht so genannt haben. So leisten wir z.B. einen gesellschaftlichen Beitrag, indem wir es Studierenden ermöglichen, ihre Abschlussarbeiten bei uns zu schreiben - immerhin schon über 150 Arbeiten. Auch die Unabhängigkeit durch 100% Eigenfinanzierung ist GWÖ-relevant. Ebenso, dass wir keine Steuersparmodelle nutzen.
Doch der Prozess war nicht ohne Herausforderungen: Viele Diskussionen – oft kontrovers – fanden innerhalb der Teams und mit den Führungskräften statt. Die GWÖ verlangt, dass wir jeden Stein im Unternehmen umdrehen. Das bedeutete auch, kritische und bisher vertrauliche Daten offenzulegen, was uns zunächst schwerfiel.
In der ersten Bilanzversion, die wir Anfang 2024 ins Audit einbrachten, fehlten daher einige Daten und Indikatoren. Der Auditor hingegen hatte eine weitreichendere Auffassung von Transparenz und gab uns die Möglichkeit, die fehlenden Informationen nachzureichen. Der zweite Anlauf war dann erfolgreich!
Zertifiziert und bereit für die Zukunft!
Im August erhielten wir vom Auditor den Abschlussbericht mit einem hervorragenden Ergebnis von 403 Punkten. Damit wurde viadee offiziell als gemeinwohl-orientiertes Unternehmen (ECOnGOOD) zertifiziert. Am 6. November durften wir bei einer kleinen Feier die Urkunde entgegennehmen – ein bedeutender Meilenstein für uns!
Die offizielle Auditierungsfeier mit Übergabe des Testats
Und was kommt als Nächstes? Nun, nach der Bilanzierung ist vor der Bilanzierung!
Einige der identifizierten Maßnahmen haben wir bereits umgesetzt, unter anderem mit der Schaffung der Stelle eines Nachhaltigkeitsbeauftragten. Damit ist das Thema organisatorisch verankert und wird gezielt vorangetrieben. Nachhaltigkeit und Gemeinwohlorientierung haben nun einen festen Platz in der viadee-Strategie. Bis zur nächsten Rezertifizierung in zwei Jahren wollen wir mehrere Projekte realisieren und uns gleichzeitig auf die CSRD-Vorgaben der EU vorbereiten, die bei weiterem Wachstum auch für viadee relevant werden.
Unser Leitsatz bleibt dabei das einfach klingende, aber herausfordernde Ziel der GWÖ: ein „Gutes Leben für alle“ zu ermöglichen. Und wir arbeiten hart daran!
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