26.06.2023

Heute schon gemuckert? Mucker-Karten-Retrospektive

Motivieren Sie Ihr Team, indem Sie Bewusstsein für Erfolge schaffen und den Fokus für eine effektive Verbesserung auf den wichtigsten Optimierungsbedarf richten. Mucker-Karten helfen Ihnen, genau dies zu erreichen.

Motivieren Sie Ihr Team, indem Sie Bewusstsein für Erfolge schaffen und den Fokus für eine effektive Verbesserung auf den wichtigsten Optimierungsbedarf richten. Mucker-Karten helfen Ihnen, genau dies zu erreichen.

Grundidee

Die deutsche Kultur gehört zu jenen, in denen sich viele Menschen mehr mit Problemen beschäftigen als sich Erfolge bewusst zu machen und diese auch mal zu feiern. Passend zu dieser Kultur ist „Mucker“ ein regionaler, umgangssprachlicher Begriff für „etwas, das schon zu lange drückt“. Der ein oder andere kennt auch das Verb „mucken“ oder „aufmucken“, wenn sich etwas oder jemand meldet oder beschwert. Die gleichnamige Methode hilft, einer primär problemorientierten Reflexionskultur entgegenzuwirken. Um dies zu erreichen, basiert die Methode auf zwei Grundpfeilern:

  1. Bewusste Nennung von Erfolgen
  2. Fokussierung auf das wichtigste „Unangenehme“

Das Bewusstsein für positive Erlebnisse und auch kleine Erfolge sollte in keinem Team zu kurz kommen. Die Wahrnehmung von bereits erzielten Verbesserungen und der eigenen Leistungsfähigkeit ist gleichzeitig auch Motivation dafür, die nächsten Weiterentwicklungen in Angriff zu nehmen. Die Fokussierung auf die eine wichtigste Sache, über die man „meckern“ möchte, hilft dagegen, dass nicht wahllos jede Unzufriedenheit aufgelistet wird, sondern automatisch eine Priorisierung und Selektion gefordert ist. Darüber hinaus enthält die Methode Kniffe, die helfen, ein gemeinsames Verständnis von Herausforderungen und dem Miteinander zu erarbeiten. Dazu gleich mehr.

Der Mucker-Werkzeugkasten

Für eine Mucker-Karten-Session benötigt man in der Basis recht wenig:

  • Grüne Klebezettel
  • Rote Klebezettel
  • Stifte
  • Flipchart mit Papier

Jeder Teilnehmer benötigt genau einen grünen und einen roten Klebezettel sowie einen Stift. Am besten verteilt man diese schon auf den Plätzen, bevor die Teilnehmer kommen.

Die Klebezettel werden im Laufe der Methode gemeinsam besprochen, sodass eine Wand oder ein Flipchart benötigt wird, um die Karten für alle Teilnehmer gut sichtbar aufhängen zu können.
Zur Vorbereitung zeichnet man auf einem Flipchart-Blatt eine Überschrift „Mucker-Karten“ mit einer Skala von Null bis 100 Prozent. Darüber hinaus braucht man noch zwei Blätter mit den Überschriften „Interpretationen“ und „Erfolge“.

Mucker-Karten-Retrospektive Flipcharts

Alternativ zu Klebezetteln können auch Karten und eine Metaplanwand mit Stecknadeln verwendet werden. In diesem Fall sollte man natürlich Papier für die Metaplanwände nicht vergessen, um diese beschreiben zu können.

Muckern in 6 Schritten

Grüne Karten mit Erfolgen vollschreiben
Jeder Teilnehmer schreibt auf seine grüne Karte alle positiven Dinge aus dem letzten Sprint oder einem anderen betrachteten Kontext, an die er sich erinnert.  Je nach Gruppe kann hierfür eine Timebox gesetzt werden.

Grüne Karten mit Erfolgen vollschreiben

 

Erfolge vorstellen
Jetzt heißt es, die Erfolge zu feiern. Dazu klebt jeder Teilnehmer seine grüne Karte auf das „Erfolge“-Plakat und stellt dabei alle Erfolge vor, die er notiert hat. Nachfragen und Bestätigungen aus dem Teilnehmerkreis sind ausdrücklich erwünscht.

Mucker-Karten-Retrospektiven Erfolge vorstellen

 

Ein Problem auf die rote Karte schreiben
Nach den Erfolgen ist nun das Optimierungspotenzial dran. Dazu gibt es wieder eine Timebox beispielsweise von zwei Minuten. In dieser Zeit schreibt jeder Teilnehmer genau einen Begriff, der für ihn das aktuell wichtigste Optimierungspotenzial oder Problem benennt, auf seine rote Karte. Wichtig ist, dass die Karten so gefüllt werden, dass die anderen Teilnehmer nicht mitlesen können und dass die Karten im Anschluss auch verdeckt bleiben.

Ein Problem auf die roten Karten schreiben

 

Rote Karten weitergeben
Nun gibt jeder seine rote Karte verdeckt nach links weiter und auch der neue Besitzer soll diese erstmal weder lesen noch umdrehen.

Mucker-Karten-Retrospektiven rote Karten weitergeben

 

Rote Karte vorstellen und interpretieren
Nun dreht der erste Teilnehmer die erhaltene rote Karte um, liest den Begriff darauf vor und formuliert seine Interpretation, welches aktuelle Problem damit gemeint sein könnte. Anschließend bewertet der Autor der Karte auf einer Skala von Null bis 100 Prozent, wie gut die Interpretation seine Intention beschreibt, und klebt die Karte entsprechend auf das Flipchart mit der Skala. Anschließend formuliert er nochmal selbst, was er mit dem Begriff meint. Der Moderator schreibt währenddessen die Interpretationen der Begriffe von beiden Teilnehmern als Stichpunkte auf das Flipchart mit der Überschrift „Interpretationen“. Dabei sollte der Moderator darauf achten, für jede Interpretation eine neue Zeile zu nutzen und dieser ein leeres Kästchen voranzustellen. Nun stellt der nächste Teilnehmer seine erhaltene Karte vor und das Prozedere geht reihum, bis alle Karten vorgestellt wurden.

Mucker-Karten-Retrospektiven rote Karten interpretieren

Priorisieren und bearbeiten
Wenn alle Karten vorgestellt wurden, geht der Moderator auf die notierten Interpretationen ein und clustert diese gemeinsam mit der Gruppe. In die Kästchen vor den Interpretationen kann dabei immer dann die gleiche Nummer geschrieben werden, wenn die Stichpunkte zusammengehören. Anschließend werden die Themen-Cluster per „Dot-Voting“ priorisiert. Das bedeutet, jeder Teilnehmer darf mit seinem Stift zwei Punkte an die Interpretationen malen, die er am dringendsten bearbeiten möchte. Die Cluster werden dann anhand der vergebenen Punkte in eine Reihenfolge gebracht.
Je nach verfügbarer Zeit und Anzahl der Cluster werden dann die wichtigsten entsprechend ihrer Priorität in Teilgruppen oder gemeinsam reflektiert und Maßnahmen dazu entwickelt.

Mucker-Karten-Retrospektiven rote Karten priorisieren und bearbeiten

 

Ein paar Tipps für die Entwicklung von Maßnahmen haben wir übrigens in diesem Artikel zusammengefasst: „Maßnahmen, die verändern.

 

Tipps für erfolgreiches Muckern

Aus der Erfahrung mit der Zusammenarbeit in verschiedenen Gruppen haben wir ein paar Tipps zusammengestellt.

Stimulation positiver Wahrnehmung

Geben Sie ausreichend Zeit und Raum für das Aufschreiben und Vorstellen der Erfolge. Dabei hilft auch der Hinweis, dass es bei Erfolgen nicht nur um einen erfolgreichen Sprint geht. Vielmehr können auch neue Erkenntnisse oder positive Erlebnisse im Verhalten inner- und außerhalb des Teams genannt werden. Betonen Sie gerne, dass die grüne Karte ruhig randvoll beschrieben werden darf. In einigen Kulturen, zu denen auch die deutsche gehört, tut man sich schwer, sich selbst zu feiern und zu loben. Umso wichtiger ist es aus unserer Sicht, dies zu fördern. Während der Vorstellung kann man als Moderator durch Nachfragen ein gemeinsames Verständnis unter allen Teilnehmern und einen Austausch dazu anregen. Beispielsweise kann man den Teilnehmerkreis fragen, ob sie „einen Punkt auch so wahrgenommen haben“.

Kurz und knapp

Es sollte darauf geachtet werden, dass nur ein Begriff auf die roten Mucker-Karten geschrieben wird. In Bezug auf die Problemstellungen gibt es bei der Mucker-Karten-Methode zwei Aspekte:

  1. Die Fokussierung auf die wichtigste Problemstellung
  2. Die Sensibilisierung für Interpretationsspielraum bei Problemschilderungen

Letzteres wird durch die Beschränkung auf einen Begriff verstärkt, da ein einzelner Begriff den Interpretationsspielraum erhöht. Hierdurch wird das Bewusstsein für unterschiedliche Wahrnehmungen und die Notwendigkeit des Austauschs für ein gemeinsames Verständnis gefördert. Als Nebeneffekt spielt sich auch das Team weiter ein, da man Assoziationen und Interpretationen seiner Teammitglieder wahrnimmt.

Bearbeitung und Maßnahmen

Bei der Bearbeitung der Cluster und der Entwicklung von Maßnahmen gibt die Mucker-Karten-Methode keine festen Vorgaben vor. Jedes Cluster kann entweder in vorgegebenen Timeboxen gemeinsam betrachtet werden oder die Cluster auf Kleingruppen aufgeteilt und die Ergebnisse anschließend vorgestellt werden. So können sogar bei einer recht reifen Gruppe die Maßnahmen eventuell direkt bei der offenen Diskussion über die Cluster diskutiert werden. Kurz gesagt, idealerweise sollte man die individuellen Präferenzen des Teams kennen und eine passende Methodik zur Bearbeitung und Maßnahmenentwicklung wählen.

Blogreihe zu Retrospektiven

Dieser Artikel ist Teil unserer Blogserie, in der wir Praxiserfahrungen und Hintergrundwissen zu Retrospektiven und bewährten Methoden teilen möchten. Folgende Teile sind bereits erschienen oder erscheinen in den nächsten Tagen:

Teil 1: Retrospektiven – Team-Beschleunigung hoch zwei
Teil 2: Maßnahmen, die verändern und den Wirkungsgrad von Retrospektiven erhöhen
Teil 3: Heute schon gemuckert? Mucker-Karten-Retrospektive
Teil 4: Lean Coffee – Zeit für ein gutes Gespräch
Teil 5: 5 Tipps für eine effektive Retrospektive
Teil 6: High-Performance-Team-Retrospektive
Teil 7: Effektive Retros mit der 4G-Methode
Teil 8: Open-the-Box-Retrospektive
Teil 9: Halloween-Retrospektive in 5 Schritten
Teil 10: Alle Jahre wieder: Die Nikolaus-Retrospektive
Teil 11: Retrospektiven Abschluss

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Autor:Innen

Dr. Benjamin Klatt

Benjamin ist IT-Architekt und Agile Coach bei der viadee. Seine Schwerpunkte liegen in der Digitalisierung von Produkten und Prozessen, Cloud- und Software-Lösungen sowie der Erschließung neuer Arbeitsweisen, Innovationen und Technologien.

Mucker-Karten to go

Damit das Muckern mit dem eigenen Team noch etwas leichter von der Hand geht, stellen wir eine illustrierte Kurzanleitung als kostenlosen Download bereit:

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