Kein Widerspruch: Familienleben und Beratung

Donnerstag, 2.11.2023

Familie u Beratung Titelbild (2)

Nächte im Hotel, lange Arbeitstage, wenig Flexibilität – das sind Klischees und Vorurteile über die Beratungsbranche, die sich noch immer hartnäckig halten. In wenigen Berufsfeldern wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf so intensiv diskutiert wie in der Unternehmensberatung. Zeit für einen Realitätscheck: Was sind Chancen und Herausforderungen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Welt der Beratung mit sich bringt? Und: Was macht einen familienfreundlichen Arbeitgeber aus? Wir haben bei Kolleg:innen nachgefragt, die das Thema als Eltern oder als pflegende Angehörige betrifft.

Es beginnt bei der Unternehmenskultur

Ben Lohrengel ist getrennt erziehend und hat einen Sohn im Kindergartenalter, der im Wechselmodell bei ihm lebt. Für ihn beginnt Familienfreundlichkeit bei einem grundsätzlichen Bewusstsein für die Aufgaben und Lebensrealitäten, die sich Familien stellen. „Wenn ich sage, dass ich früher Feierabend machen muss, weil mein Kind eine Kita-Veranstaltung hat, dann wird das nicht hinterfragt. Dasselbe gilt, wenn mein Kind so krank ist, dass ich auch im Home-Office keine Termine wahrnehmen kann“. Dass diesen Entscheidungen mit Verständnis und Akzeptanz begegnet wird, sei Grundvoraussetzung für gelungene Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Sebastian Albrecht ist nicht nur Vater von zwei Kindern, sondern beschäftigt sich als Teil der Personalleitungsrunde auch mit den bürokratischen Aspekten von Familie und Beruf. Er betont ebenfalls, dass ein familienfreundliches Unternehmen Gemeinschaftsaufgabe ist: „Was wir organisatorisch schaffen können, das ist das eine. Dann ist aber das Entscheidende, dass Hilfsbereitschaft und Verständnis im Unternehmen auch wirklich gelebt werden.“

Elternzeit und dann?

Wenn Familienzuwachs unterwegs ist, sollte daher die gemeinsame Freude im Team selbstverständlich der erste Schritt sein. Danach stellt sich die Frage nach der Organisation der Elternzeit. „Die Frage, wie lange Elternzeit geplant ist und wann man mit welcher Stundenzahl zurückkommen möchte, kommt natürlich. Sie muss aber nicht im ersten Moment beantwortet werden – da überwiegt die Freude. Im nächsten Schritt versuchen wir dann, die organisatorischen Dinge zu planen. Natürlich können die Zeiten aber auch im Nachgang noch angepasst werden“, sagt Sebastian.

Bild von iOS-1Ben Lohrengel hat einen Sohn und ist getrennt erziehend

Ben ist beispielsweise nach seiner zweimonatigen Elternzeit erst einmal mit einer halben Stelle wiedereingestiegen, hat sich dann aber doch entschieden, die Stundenzahl schrittweise zu erhöhen. Dass der Start nicht „von 0 auf 100“ erfolgt ist, habe den Wiedereinstieg leichter gemacht.

Janna Kaiser ist Mutter von zwei Kindern im Grundschul- und Kindergartenalter und hat sich während ihrer Elternzeit für eine berufliche Neuorientierung entschieden. Früher war sie Personalreferentin in der Industrie, nach einer Weiterbildung zur Scrum-Masterin während ihrer zweiten Elternzeit hat sie sich dann als Organisationsentwicklerin beworben.

Der Quereinstieg sei eine mentale Anstrengung gewesen, hat Janna in erster Linie aber auch enorm viel Spaß gemacht. Ihre neue Rolle passe nun viel besser zu ihren Stärken. Grundsätzlich sei der Wiedereinstieg nach der Elternzeit aber natürlich nicht ganz einfach: „Das Loslassen ist gar nicht so leicht, wenn man lange mit dem Kind zuhause war. Eine gute und sichere Kinderbetreuung ist Grundvoraussetzung, um den Kopf zum Arbeiten freizuhaben.“

Beim Wiedereinstieg in den Beruf besteht bei vielen Eltern die Angst, die Karriere könnte unter der beruflichen Pause und anschließenden familiären Verpflichtungen leiden. „Elternzeit als Karriere-Verhinderer? Da mache ich ein klares Nein dahinter“ sagt Sebastian. Auch Ben und Janna betonen beide, dass sie nicht das Gefühl haben, ihr Familienleben schränke ihre Karrieremöglichkeiten ein.

Das A und O: Flexibilität

Zurück im Beruf gilt für die Vereinbarkeit von Job und Familie vor allem Flexibilität als entscheidend. „Alles andere sind für mich nette Add-ons, aber Flexibilität muss gegeben sein. Denn: Familie ist nicht planbar“ sagt Sebastian. Deshalb müsse durch flexible Arbeitszeitgestaltung und flexible Teilzeitmodelle der Freiraum für Familien geschaffen werden, wenn nötig auch kurzfristig Arbeitszeit, -Ort und Stundenumfang den individuellen Bedürfnissen anpassen zu können.

Wenn sein Sohn bei ihm ist, arbeitet Ben in der Regel im Home-Office, um Wegzeiten einzusparen und so mehr Zeit für die Familie zu haben. Die restliche Zeit ist er beim Kunden oder in der Geschäftsstelle. In der Vergangenheit hat er aber immer wieder festgestellt, dass eine 40-Stunden-Woche nur unter großem Stress mit seinem Familienleben vereinbar ist.

Aktuell hat er deshalb seine Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden reduziert. „Die eine Stunde weniger pro Tag hat schon eine enorme Hebelwirkung. Mit meinem Personalvorgesetzten habe ich besprochen, die Reduzierung erst einmal über das Minusstunden-Modell zu machen. So kann ich testweise schauen, welche Arbeitszeit die Richtige ist und mich im Zweifel dann auch bei 32 oder 37 Wochenstunden einpendeln. Dass das problemlos möglich ist, ist wirklich Gold wert“.

image (3)-1Janna Kaiser hat zwei Söhne, ihr Mann und sie teilen sich die Care-Arbeit

Janna arbeitet wie ihr Partner 32 Stunden pro Woche, die beiden teilen sich die Care-Arbeit für ihre Kinder. Für die Einschulung ihres älteren Sohnes wollte Janna sich aber mehr Zeit nehmen, um den neuen familiären Lebensabschnitt in aller Ruhe begleiten zu können. Dafür hat sie sechs Wochen Urlaub genommen. „Als ich meinem Personalvorgesetzten von meinen Plänen berichtet habe, wurde mir ein Blumenstrauß an Möglichkeiten präsentiert, wie das möglich gemacht werden kann. Ich habe mich dann für eine Mischung aus Überstundenabbau und unbezahltem Urlaub entschieden.“

Familienfreundlichkeit zählt für alle

Wer an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf denkt, denkt in der Regel erst einmal an Eltern mit kleinen Kindern. Dabei wird oft übersehen, dass die Notwendigkeit eines familienfreundlichen Arbeitsumfelds sich über viele weitere Lebensrealitäten erstreckt, die jede:n betreffen können.

Wer beispielsweise Verantwortung für die Pflege von Angehörigen trägt, der ist ebenfalls auf einen unterstützenden Arbeitgeber und Flexibilität angewiesen. Tobias Voß hat im Sommer diesen Jahres knapp zwei Wochen im Home-Office bei seinen Schwiegereltern gearbeitet, um gemeinsam mit seiner Frau bei der Pflege ihres Vaters mitzuhelfen.

Während dieser Zeit hat er zwar weiter in Vollzeit gearbeitet, die Arbeitszeiten haben sich jedoch großflächiger über den Tag und den Abend verteilt. Auch ihm ist eine verständnisvolle und vertrauende Haltung des Arbeitgebers wichtig: „Familienfreundlichkeit wird für mich vor allem in der Selbstverständlichkeit sichtbar, dass Ausnahmesituationen auftreten können. Ich habe es weder bei diesem noch bei früheren familiären Ereignissen erlebt, dass meine Entscheidung in Frage gestellt wurde. Oder dass verlangt oder auch nur angedeutet wurde, die Arbeit über die Familie zu stellen und andere Lösungen zu finden.“

Beratung und Familie geht das?

Häufig werden mit der Beratungsbranche unregelmäßige Arbeitszeiten und viele Reisen verbunden. Entscheidendes Kriterium einer familienfreundlichen Unternehmensberatung ist für Ben daher vor allem die Regionalität befinden sich die Kunden im lokalen Unternehmensumfeld, spare das viel Fahrtzeit und schaffe mehr Zeit für das Familienleben.

Janna hat bereits während der Bewerbungsphase in ihrer Elternzeit die wichtigsten Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf abgeklärt und klargestellt: „Regelmäßige Übernachtungen im Hotelzimmer sind keine Option!“. Hätte es hier keine Übereinstimmung gegeben, wäre eine Anstellung für sie nicht in Frage gekommen. Sie möchte andere gerne ermutigen, sich als Eltern nicht verunsichern zu lassen und in die Arbeitszeit zu gehen, mit der man sich wohlfühlt: „Familienleben ist das Allerwichtigste. Das muss bei jedem guten Arbeitgeber angekommen sein.“

151 viadee-Kinder gibt es aktuell. Die Gespräche mit ihren Eltern zeigen: Beratung und Familie, das kann funktionieren. Vorausgesetzt, es herrscht eine unterstützende Unternehmenskultur, die flexibles Arbeiten ermöglicht und Verständnis für die Unplanbarkeit und Vielfalt von Familie mitbringt.


Wir freuen uns, dass wir in diesem Jahr zum dritten Mal in Folge von Freundin und Kununu als einer der familienfreundlichsten Arbeitgeber Deutschlands ausgezeichnet wurden.

Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf möchtest du keine Kompromisse eingehen?

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Leonie Brockamp

Leonie Brockamp

Leonie Brockamp ist seit 2023 als Werkstudentin im Marketing-Team der viadee Unternehmensberatung AG tätig und legt ihren Schwerpunkt auf das Employer Branding.