28.06.2023

Effektive Retros mit der 4G-Methode

Die 4G-Retro ist eine einfache und wirksame Methode zum Sammeln von Diskussionspunkten in einer Retrospektive.

4G Methode Fuer Effektive Retros

Retrospektiven laufen in der Regel in fünf Phasen ab: Ankommen, Daten erheben, Erkenntnisse gewinnen, Maßnahmen entwickeln und gemeinsam durchstarten. Für das Sammeln von Diskussionspunkten im Rahmen der zweiten Phase „Daten erheben“ ist die 4G-Retro eine sehr einfache und ebenso wirksame Methode. 4G steht hierbei für „Geliebt, Gelernt, Gefehlt, Gestolpert“ und ist eine deutsche Abwandlung der englischsprachigen 4L-Retro („Liked, Learned, Lacked, Longed for„). In der Praxis haben wir festgestellt, dass insbesondere die Begriffe „Lacked“ und „Longed for“ nicht zum typischen Englisch-Wortschatz im deutschsprachigen Raum gehören und es den Retro-Teilnehmenden entsprechend schwer fällt, die Perspektiven zu differenzieren. Die 4G-Methode haben wir bereits vielfach in agilen Projekten erfolgreich eingesetzt, daher möchten wir sie in diesem Artikel vorstellen und Tipps zur Durchführung geben.

Retrospektiven laufen in der Regel in fünf Phasen ab: Ankommen, Daten erheben, Erkenntnisse gewinnen, Maßnahmen entwickeln und gemeinsam durchstarten. Für das Sammeln von Diskussionspunkten im Rahmen der zweiten Phase „Daten erheben“ ist die 4G-Retro eine sehr einfache und ebenso wirksame Methode. 4G steht hierbei für „Geliebt, Gelernt, Gefehlt, Gestolpert“ und ist eine deutsche Abwandlung der englischsprachigen 4L-Retro („Liked, Learned, Lacked, Longed for„). In der Praxis haben wir festgestellt, dass insbesondere die Begriffe „Lacked“ und „Longed for“ nicht zum typischen Englisch-Wortschatz im deutschsprachigen Raum gehören und es den Retro-Teilnehmenden entsprechend schwer fällt, die Perspektiven zu differenzieren. Die 4G-Methode haben wir bereits vielfach in agilen Projekten erfolgreich eingesetzt, daher möchten wir sie in diesem Artikel vorstellen und Tipps zur Durchführung geben.

Material

Für die Durchführung benötigst du folgende Materialien:

  • Flipchart
  • Flipchart Marker
  • Sticky-Notes (idealerweise die etwas breiteren)
  • Stifte zum Beschriften der Sticky-Notes
  • Klebepunkte (optional)
  • Timer (optional)

In einem Online-Meeting kann man auf ein digitales Whiteboard zurückgreifen. Falls keine entsprechende Software verfügbar ist, kannst du auch einfach eine Wiki- bzw. Confluence-Seite anlegen und dort eine Tabelle mit vier Spalten einfügen.

Vorbereitung

Auf das Flipchart zeichnest du zunächst ein großes Kreuz, das die Fläche in vier gleichgroße Bereiche unterteilt. Diese beschriftet man dann mit „Geliebt“, „Gelernt“, „Gefehlt“ und „Gestolpert“ oder wahlweise mit passenden Symbolen. Wenn man Symbole verwendet, sollte man sicherstellen, dass alle Teilnehmenden die Bedeutung der Symbole kennen – wenn du auf Nummer sicher gehen möchtest, kannst du auch eine Kombination aus Symbolen und Wörtern verwenden. Generell tragen ansprechende Visualisierungen zu einer angenehmeren Atmosphäre bei, welche für eine gute Retro sehr wichtig ist. Mit etwas Kreativität könnte das dann wie folgt aussehen:

Abbildung des Flipcharts mit einem großen Kreuz, welches es in 4 gleichgroße Bereiche unterteilt und beschriftet werden kann.

Falls du nicht selber zeichnen kannst oder willst, haben wir die Symbole hier für dich zum ausdrucken als Download bereitgestellt:

PDF Download

Ablauf

Alle Teilnehmenden erhalten einige Klebezettel und einen Stift. Nachdem du die Methode erläutert hast, gibst du dem Team etwas Zeit, um in sich zu gehen und zu jedem der vier Aspekte konkrete Ereignisse oder Erinnerungen aus dem letzten Sprint auf einen Klebezettel zu schreiben. Du kannst einen Timer verwenden, damit du und das Team die Zeit stets im Blick haben. Die vier Quadranten haben folgende Bedeutung:

Geliebt

In dem Quadrant „Geliebt“ werden alle Dinge gesammelt, die im letzten Sprint besonders gut liefen. Hier hat das Team die Möglichkeit sich nochmal vor Augen zu führen, wo seine Stärken liegen. Erfolge dürfen gefeiert, die Stimmung im Team gelobt und der Umgang mit einem aufgetretenen Mangel im Produkt nochmal positiv hervorgehoben werden. Die Teammitglieder dürfen sich auch gezielt bei einzelnen Kolleg:innen für deren besonderen Beitrag zum Sprint bedanken. Anerkennung und Wertschätzung dürfen zum Ausdruck gebracht werden, das gilt auch für nette Gesten wie das Mitbringen eines Kuchens fürs das Team.

Gelernt

Unter „Gelernt“ können die teilnehmenden nochmal reflektieren, was sie im letzten Sprint an neuen Erkenntnissen und Fähigkeiten dazugewonnen haben. Das können technische Skills wie der Umgang mit einem neuen Entwicklungswerkzeug sein, aber auch organisatorisches wie der Ablauf bestimmter Prozesse im Unternehmen (z. B. wie man bestimmte Berechtigungen beantragt). Durch das Teilen dieser Erfahrungen kann ein Team sich einerseits den eigenen Fortschritt nochmal bewusst machen, andererseits aber auch andere Teammitglieder für den Erwerb bestimmter Kompetenzen und Informationen motivieren – so haben diese gleich eine:n Ansprechpartner:in, falls sie ähnliche Problemstellungen zu bewältigen haben.

Gefehlt

In den Quadranten „Gefehlt“ kommt alles, was benötigt wurde aber nicht vorhanden war, um das Sprintziel zu erreichen. Denkbar sind etwa Berechtigungen, Software, Ansprechpartner:innen oder Entscheidungen. Auch soziale Aspekte dürfen genannt werden, wie z. B. mangelnde Unterstützung oder Kommunikation. In der späteren Phase „Erkenntnisse gewinnen“ kann das Team dann gemeinsam reflektieren, warum diese Dinge gefehlt haben, um letztendlich daraus Maßnahmen abzuleiten zu können.

Gestolpert

Bei „Gestolpert“ kann alles gesammelt werden, was das Team im letzten Sprint getan oder ausprobiert hat, das aber nicht gut funktioniert hat. Gab es Probleme mit dem Build? Ist Fachlichkeit falsch umgesetzt worden? Sind besonders viele Bugs im Betrieb aufgetreten? Die hier gesammelten Punkte kann das Team im weiteren Verlauf der Retro als Grundlage für das Ableiten entsprechender Maßnahmen verwenden. Hier ist es besonderes wichtig, dass die Diskussionspunkte beobachtend und sachlich sind und keine Schuldigen gesucht werden.

 

Im Anschluss dürfen alle Teammitglieder einzeln nach vorne treten, um ihre aufgeschriebenen Punkte zu erläutern und diese in den dafür vorgesehenen Quadranten zu kleben. Oft kommt es vor, dass ein Diskussionspunkt von mehreren Teilnehmenden genannt wird – in dem Fall bietet es sich an, diese auf dem Flipchart zu gruppieren (nebeneinander oder übereinander kleben). Es ist wichtig, dass beim Ankleben der Zettel noch keine Diskussionen stattfinden, sondern höchstens Fragen zum Verständnis gestellt werden. So haben alle Teilnehmenden erstens die Möglichkeit, alle ihre Punkte zu präsentieren und zweitens wird jede Wahrnehmung zunächst wertungsfrei angehört.

Gruppieren und Priorisieren

Sobald alle nach vorne getreten sind, um ihre Zettel vorzustellen, kannst du mit Hilfe des Teams die Zettel ggf. weiter gruppieren. Wenn besonders viele Diskussionspunkte gesammelt wurden macht es Sinn, diese zunächst zu priorisieren – die Zeit für Retrospektiven ist gemäß dem Scrum-Guide begrenzt (warum das so ist kannst du hier nachlesen: Timeboxen – Meetings inhaltlich und zeitlich fokussieren). Wenn das Team sich nicht sofort auf eine Reihenfolge einigen kann, kannst du eine Methode zur Priorisierung anwenden. Eine Möglichkeit wäre, ein „Dot-Voting“ durchzuführen. Alle Teilnehmenden erhalten drei Klebepunkte, die auf die Zettel am Flipchart geklebt werden können; alternativ tun es auch gemalte Punkte. Das Thema mit den meisten Punkten sollte dann als erstes besprochen werden, dann das mit den zweit meisten und so weiter. Es sollte nicht das Ziel sein, alle Themen im Detail zu besprechen, da relevante Themen in der nächsten Retrospektive wieder auftauchen werden und man ohnehin nur begrenzt Kapazität für die Umsetzung von Maßnahmen in einem Sprint hat. Wie auch immer man priorisiert – am Ende sollte dabei eine sortierte Liste von Punkten herauskommen, zu denen das Team dann im Rahmen der Retro-Phase „Erkenntnisse gewinnen“ in die Diskussion einsteigen kann.

Blogreihe zu Retrospektiven

Dieser Artikel ist Teil unserer Blogserie, in der wir Praxiserfahrungen und Hintergrundwissen zu Retrospektiven und bewährten Methoden teilen möchten. Folgende Teile sind bereits erschienen oder erscheinen in den nächsten Tagen:

Teil 1: Retrospektiven – Team-Beschleunigung hoch zwei
Teil 2: Maßnahmen, die verändern und den Wirkungsgrad von Retrospektiven erhöhen
Teil 3: Heute schon gemuckert? Mucker-Karten-Retrospektive
Teil 4: Lean Coffee – Zeit für ein gutes Gespräch
Teil 5: 5 Tipps für eine effektive Retrospektive
Teil 6: High-Performance-Team-Retrospektive
Teil 7: Effektive Retros mit der 4G-Methode
Teil 8: Open-the-Box-Retrospektive
Teil 9: Halloween-Retrospektive in 5 Schritten
Teil 10: Alle Jahre wieder: Die Nikolaus-Retrospektive
Teil 11: Retrospektiven Abschluss

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Autor:Innen

Gero Zimmer

Gero Zimmer ist Berater für Agilität und Prozessautomatisierung. Er begleitet Teams bei agilen Veränderungsprozessen und unterstützt Kunden als Integrationsarchitekt bei der Digitalisierung von Prozessen.

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